Dicke Luft und blaue Bohnen (1)

Ein Finanzweltkrimi à la Michael Ridpath, nur kürzer und noch viel, viel spannender

Er wusste, dass ich wusste, dass er übertrieb, aber das gehörte zum Spiel

In dem Weltbestseller „Der Spekulant“ des Weltbestsellerautors Michael Ridpath gibt es exakt zwei Sexszenen, beide übersetzt von Karin Kerster, die eine auf Seite 202f. („Claire war eine temperamentvolle, aktive Liebhaberin. In Kürze war das Bettzeug über den ganzen Boden verstreut. Es folgte eine Stunde der Zärtlichkeit und des intensiven Vergnügens“) und die andere auf Seite 406 („Wo unsere Körper einander berührten, erzitterten wir in freudiger Erwartung. Wir genossen die Intimität unserer Umarmung und machten Schritt für Schritt Bekanntschaft mit dem Körper des anderen“). Das kann ich auch, dachte ich, als ich das las.

Ich war noch jung. Ich war hart drauf. Ich hatte BWL in Göttingen studiert und war dann gleich steil eingestiegen als Managing General Partner bei einer Investmentfirma in Vlotho. Da meldete sich mein Handy. Mittlerweile gilt es ja als wissenschaftlich erwiesen, dass nur Geisteskranke und Kosovo-Albaner Handys mit der Klingelmelodie von „Yesterday“ benutzen, aber damals war ich noch nicht so weit, und wenn ich damals sage, dann meine ich damals, als ich noch ein Big Player in der Online-Brokerage war und täglich vielstellige Millionensummen um den Globus zirkulieren ließ.

„Dieter, hör mir zu“, flüsterte mein alter Studienfreund Jochen, der seinerseits einen florierenden Private-Equity-Fonds in Salzgitter gegründet hatte, „es gibt da eine westfälische Fleischereikette, die an die Börse gehen will, mit garantierten Pre-Sales und Kapitalschutz auf 80 Prozent der Zeichnungssumme, und wenn du jetzt auf der Stelle 30 Millionen Euro lockermachen kannst, erwartet dich eine Ausschüttung von 9 Prozent auf die Nominalbeteiligung.“

Ich dachte nach. Wenn man einem wie Jochen den kleinen Finger reichte, tat man gut daran, hinterher die eigenen Arme zu zählen. „Was ist mit dem Bonitäts-Ranking?“, fragte ich.

„Zwei Optionen mit elf Jahren Laufzeit und stornofreier Provision als Offshore-Anlage“, erwiderte Jochen wie aus der Pistole geschossen.

Er wusste, dass ich wusste, dass er übertrieb, aber das gehörte zum Spiel. „Okay“, sagte ich, „und wie sieht’s mit der Rendite aus? Liquiditätsrückfluss? Marktkapitalisierung?“

Jochens Schweigen stand im Raum wie ein leerer Sarg, und in derselben Sekunde stürzte mein Computer ab. Ich schmiss Jochen aus der Leitung und wählte elf drei elf: Computerkummer? Schnellreparaturnummer!

Hämisch glomm das Grinsen von Doktor Oetker durchs Großraumbüro. Eigentlich hieß er ja anders, aber alle nannten ihn so, weil er in Bielefeld seinen Doktor gemacht hatte. Mit Doktor Oetker hatte ich es mir schon am ersten Tag verscherzt, als ich in der Mittagspause auf der Firmentoilette mit seiner Frau geschlafen hatte. Sie war eine aktive, temperamentvolle Liebhaberin, und wir hatten Schritt für Schritt Bekanntschaft mit dem Körper des anderen gemacht.

„Normalanwender oder Power-User?“ fragte mich die dickbusige Blondine, die sich mit ölverschmiertem Gesicht unter meinen Computer gelegt hatte. Das musste das Weibsstück vom Schnellreparaturservice sein.

„Power-User“, sagte ich und fing aus dem Augenwinkel einen neidischen Blick von Doktor Oetker auf. „Und beeilen Sie sich bitte. Es geht hier um Millionenbeträge und um die Ehre der deutschen Wirtschaft.“

„Gestatten: Charlotte“, sagte die Blondine und schraubte den Deckel von der Festplatte ab. „Auerauer. Wenn ich das wieder hinkriegen soll, muss ich das Daybyday-Modul mit SSL-Verschlüsselung booten und die Dualprozessoren über SCSI umleiten . . .“

Ich stärkte mich mit einem Hackfleischbrötchen und sah ihr bei der Arbeit zu.

„Ist Ihr TFTP-Server mit 133 MHz getaktet?“, fragte Charlotte. Sie hatte dafür extra den Schraubenzieher aus dem Mund genommen. Ihre roten, wollüstigen Pepperonilippen raubten mir schier den Verstand. Meine Antwort wartete sie gar nicht ab. „Wenn Sie nichts dagegen haben, browse ich jetzt die Demoversion auf eine Temporärdatei im JPG-Format im Differenzialbackup über die gesamte Speicherbandbreite.“ Sie zwinkerte mir zu, und ihre langen Wimpern fächelten durch die heiße Büroluft. Acht Grappa später schwappten ihre weizenblonden Brüste über mir zusammen wie zwei glutrote Lavazungen, und was folgte, war eine Stunde der Zärtlichkeit und des intensiven Vergnügens.

GERHARD HENSCHEL

Fortsetzung und Schluss morgen