philipp maußhardt über Klatsch
: Teebeutel der Nation

Wann sagen Boris und Babs endlich, dass die Trennung sie reifer gemacht hat, oder: Ein Plädoyer für Klatsch

Manche sagen, die Frau des Bürgermeisters in dem Dorf, in dem ich lebe, sei ihm davongelaufen. Aber bei der Bäckerin habe ich erfahren, dass es genau andersherum sein soll. Er soll sie hinausgeworfen haben! Wie auch immer. Jedenfalls wohnen die beiden seit einigen Wochen nicht mehr zusammen, was ich bemerkenswert finde, zumindest für K. Wo doch sonst nie etwas passiert in K. Die meisten meiner Freunden aus der Gegend um K., denen ich davon erzählte, und ich tat es oft, sagten: „Ach!“ Es waren die selben, die „Och“ sagten, als sie erfuhren, dass ich auch für die Bunte schreibe, weil es sie angeblich nicht interessiere, was da drinnen steht. Mich schon.

Wer mit welcher und welche nicht mehr mit wem finde ich grundsätzlich spannend. (Je grundsätzlicher, je länger ich selber nicht mehr mit welcher.) Ob das meine Nachbarn sind oder die Wussows, ist mir dabei egal. Ich liebe Klatsch, weil nichts Schöneres die langen Pausen füllt, zwischen dem Wenigen, was man sich an Vernünftigem zu sagen hat. Die Deutschen sind auch in dieser Disziplin nach Jahren der selbst auferlegten Scham endlich gereift. Jedenfalls darf man im Flugzeug inzwischen zu Klatschgazetten greifen, ohne sich den verachtenden Blick des Sitznachbarn einzuhandeln. Im Gegenteil: „Glauben Sie wirklich, dass die Schiffer diesmal heiratet?“

Ich kenne einen Vorstand einer sehr großen Aktiengesellschaft, für den ist die Beschäftigung mit derartigen Fragen so erholsam wie ein Wochenendtrip nach Sankt Moritz. Also ich persönlich glaube: „Ja.“ Claudia wird heiraten. Und zwar am 16. Januar. Ihr Dementi, sie werde am kommenden Mittwoch auf dem englischen Schloss Blenheim den 31-jährigen Filmproduzenten Matthew Vaughn ehelichen („Reine Spekulation“) klingt ja eher wie eine Bestätigung. Vielleicht hat sie aber auch nur nicht richtig gewusst, was „Spekulation“ bedeutet. Von Claudia Schiffer hat einmal ein guter Bekannter behauptet, nach zehn Minuten Gespräch mit ihr sei der Bodensatz erreicht. Aber darum geht es doch nicht! Die schönste Frau, die wir Deutschen besitzen, entzieht sich mit der Heirat der kollektiven Illusion, sie sei noch zu haben. Das schmerzt einerseits, weckt andererseits die Hoffnung, dass uns möglichst bald eine schöne Scheidungsaffäre die Wartezeit beim Frisör vertreibt. Vielleicht nicht sofort, vielleicht erst nach zwei Jahren. Nachdem sie ein Kind geboren hätte, das gar nicht aussieht wie Matthew Vaughn, sondern wie David Copperfield. Meine Güte. Dann wäre der ja gar nicht schwul, sondern hätte heimlich mit Claudia . . . Nicht auszudenken.

Als „Foto des Jahres 2001“ hat sich in meinem Kopf, zumindest bis zum 11. September, das Bild eines 16 Monate alten Kindes eingeprägt. Anna Ermakowa steht mit roten Locken auf einem grünen Rasen und schaut mit ihren blauen Augen in die Ferne. In der Hand hält sie etwas verkrampft einen viel zu großen Tennisschläger. Mensch, Boris! Schau hin, das ist deine Tochter! Anna ist der Garant, dass wir noch lange nicht am Ende sind mit der Geschichte eines gestrauchelten Helden, der unser Klatschbedürfnis in einer Weise befriedigte, wie es lange vor ihm allenfalls noch Exkaiserin Soraya (selig) tat. Obwohl die Einschaltquoten inzwischen, wenn er im Fernsehen auftritt, eher sinken als steigen, hat es Boris Becker im vergangenen Jahr immerhin 13-mal auf den Titel der Bunten geschafft. Der Teebeutel der Nation. Immer wieder aufgebrüht und dabei zunehmend fader schmeckend. Es wäre für ihn dringend an der Zeit, nachzulegen. Boris holt Barbara nach Hause. Sie zieht mit den Kindern wieder in die Villa in Bogenhausen ein und sagt: „Ja, wir lieben uns noch. Das Jahr der Trennung hat uns beide reifer gemacht.“ Was für ein Satz, was für eine wunderschöne Geschichte! Ich bin mir sicher: Selbst im altphilologischen Seminar von Heidelberg würde man darüber reden. Enttäuscht sind wir von Steffi Graf. So kann man nicht mit uns umgehen. Sich jahrelang von uns bejubeln lassen und dann, wenn es spannend wird, die Rollläden herunterlassen. Wie fühlt sie sich als Mutter? Was hat das Baby mit ihr gemacht? Wie denkt sie über Erziehung? Dummerweise benötigt sie offenbar nicht einmal Geld, um in einem Exklusivinterview die Welt an ihrem großen Glück teilhaben zu lassen. Vergesst Steffi! Aber eigentlich ist es schade darum und Rudolf Scharping nicht wirklich ein Ersatz.

Ich kenne übrigens die neue Freundin von Sven Hannawald. Okay, das war jetzt gelogen. Aber die Pulsfrequenz von, sagen wir, 67 Prozent der taz-Leserinnen hat sich in diesem Moment um 0,7 Hertz erhöht.

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