Bundespräsident erhebt den Zeigefinger

Rau fordert Schulreform. Nach Pisa sollen nationale Bildungstests die Schulen anstacheln. Schwerpunkt frühes Lernen

BERLIN taz ■ Bundespräsident Johannes Rau hat mit ungewöhnlich deutlichen Worten verlangt, den Schulen wieder einen größeren Stellenwert im öffentlichen Leben einzuräumen. „Bessere Teilhabe aller an Bildung“, sagte Rau gestern in Berlin, sei kein alter Hut. „Wir stehen heute vor der Aufgabe, eine neue Bildungsreform zu beginnen: Qualitativ und quantitativ.“

Das Staatsoberhaupt stellte sich voll hinter die Empfehlungen des Forums Bildung. Die Beratungsinstitution für alle deutschen Bildungsminister veröffentlichte gestern 12 Empfehlungen für bessere Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Das Echo darauf war über die Parteigrenzen hinweg positiv. Rau mahnte, „jetzt muss die konkrete Arbeit beginnen. Geredet und geschrieben ist genug.“

Die größte Wirkung auf das beim internationalen Schülervergleichstest Pisa (Programme of International Students Assessment) in die Kritik geratene Schulsystem dürfte eine „kontinuierliche Bildungsberichterstattung“ haben. Damit ist eine neuer Test gemeint, der ständig die Qualität von Schulen misst. In den USA und anderen Ländern setzen solche nationalen Vergleiche das Schulsystem unter dauernden Reformdruck. In Deutschland hatten die Länder Schulvergleichtests stets abgelehnt. Diese Haltung scheint nun passee zu sein.

Rau hielt die Bildungsberichterstattung für nötig, weil „wir (bisher) ein Bild von der Lage in Deutschland immer nur auf dem Umweg über die OECD gewinnen“. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung organisierte den Pisa-Test. Gestern äußerten sich auch Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU) und Bildungsbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) zustimmend zu einer Bildungsberichterstattung. Im Hause Bulmahns seien die Pläne für eine neue Testinstitution relativ weit fortgeschritten, hieß es.

Bundespräsident Rau legte den Schwerpunkt seiner unverblümten Kritik auf die frühe Bildung. Kindergärten und Grundschulen seien seit Jahrzehnten vernachlässigt worden. Wo aber, fragte Rau, „kann am besten gelernt werden, wenn nicht im Kindergarten und in der Grundschule?“ Vor allem für die Kinder von Migranten sei der Elementarbereich „der Schlüssel zur Integration“. CHRISTIAN FÜLLER

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