Kultureller Keller

■ Die trashige Einweihung des „Clubs im Keller“ ist gelungen. Der Haken im Konzept: Die hohen Eintrittspreise

„Dirty Dancing“ und „La Boum“ waren groß, Samantha Fox und Sabrina auch. Partys hießen Feten und es gab Sprüche wie „zum Bleistift“ oder „Stück mal ein Rück“. Das kuriose: Die 80er sind schwer angesagt, immer noch oder schon wieder.

Mehr als ein Hauch von 80er-Ästhetik lag am Donnerstag abend im Brauhauskeller in der Luft. Das Foyer, es war ein Gemisch aus Kitsch-Höhle und Kleingärtnerdomizil. Kunstrasen, Lichterkette und Discokugel, fürs Publikum Plastikgartenstühle, gespendet von eifrigen Bremer Theaterfreunden, und die Wände verziert mit Plattencovern von Jason Donovan oder Patti LaBelle.

Nach musikalischen Sahnestückchen von Rick Astley und Kylie Minogue besetzte Jördis Triebel die Hollywoodschaukel als pubertäre Protagonistin des Denise-Romans Nr. 67, „Ich denke oft an Tom“. Der war die Vorlage für eine szenische Lesung, mit der der „Club im Keller“ eröffnet wurde.

Beinahe verschluckte man sich vor Entzücken am Erdbeersekt, wenn sie, zurechtgemacht wie eine überzogene Abschlussball-Debütantin, im Traum aus blauem Taft, brillant, charmant und quietschig den Grund ihrer „ziemlichen Probleme“ nannte: Buck. Anwesend als Stimme aus dem Off, 1,80, blonde Locken, „Augen so blau wie die Nordsee, die mal wie Feuer lodern oder wie Eis glitzern“. Denise-Romane, das sind rosafarbene Kleinode der Trivialliteratur, 80er-Jahre-Teenie-Geschichten, die sich mit Liebesleid und Stylingproblemen herumplagen. Trotz Werkstattcharakter und Plattitüden: Gern ließ man sich zum x-ten Mal in die Zeit von Stirnbändern und weißen Tennissocken versetzen. Was Mark Fischer, Dramaturg Helge-Björn Meier und Jördis „Debbie“ Triebel da in kürzester Zeit aus dem Heftchen herausholten, war einfach dufte, prima und affengeil.

Nach einem derart spritzigen Auftakt, den das Publikum frenetisch feierte, ist man auf Weiteres im „Club im Keller“ gespannt. In Zukunft werden in der „Röhre“ des Brauhauskellers dreimal wöchentlich Theaterabende, Konzerte, Filmaufführungen und Parties stattfinden. Experimentieren lautet das Zauberwort, dabei werden verschiedenste Sparten und Institutionen, wie Tanz, Theater, Bildende Künste, bisweilen sogar ein Turn- und Boxverein zusammenarbeiten. Gerade mal drei Monate benötigte man zur Schaffung der notwendigen Strukturen, um so eine Vernetzung zwischen dem Theater und der freien Szene etablieren zu können. Pragmatischer Grund war auch die Tatsache, dass „Bremens Ausgehmöglichkeiten zwischen 22.30 und 1 Uhr nicht gerade üppig ausfallen“, so Dramaturg Helge-Björn Meyer, zusammen mit Insa Popken Initiator des Projektes.

Jeden Donnerstag öffnet ab 20.30 Uhr die „Actors' Lounge“, in der junge Theaterleute zusammen mit Mitgliedern des Ensembles Lesungen, Happenings, trashige Theaterseifenopern oder Tanztheater präsentieren. Der Freitag steht ab 22.30 Uhr im „KunstLicht“ wenn Tendenzen zeitgenössicher Kunst beispielsweise in den filmerischen Arbeiten von StudentInnen des Ateliers für Zeitmedien gezeigt werden oder die Lesereihe „word02“ in Kooperation mit dem Literaturkontor Bremen fortgesetzt wird. Den Wochenabschluss bilden samstags ab 22.30 in der „Reihe Session“ Jazzkonzerte junger Bremer Musiker oder renommierter Solisten – oder angesagte Partys.

Wie die jungen Bremer Kultur- und Partybegeisterten die vielversprechenden Projekte im Club im Keller aufnehmen werden, bleibt abzuwarten, zumal die gedachten „etablierten“ Eintrittspreise von zehn und sieben Euro (acht und fünf Euro für Lesungen) für Projekte mit Werkstattcharakter nicht gerade gering ausfallen.

Jener Werkstattcharakter, der die Projekte kenn- und auszeichnet, ist mehr als reizvoll, keine Frage. Höhepunkte der „Denise“-Lesung waren die Stellen, in der improvisiert wurde oder Jördis Triebel lachend aus der Rolle fiel. Doch können sich studierende Theaterfreaks für sieben Euro auch eine weitaus aufwändigere Inszenierung aus dem regulären Spielplan ansehen. Und so mager ist das Bremer Nachtleben mit seinen Partys und Jazzkonzerten nun auch wieder nicht.

Roland Rödermund