Radikallösung Abtreibung

betr.: „Das war ich ihm schuldig“ (Abtreibung), taz vom 8. 1. 02, „Geburt kein Schadensfall“, taz vom 10. 1. 02

Ich kann die Entscheidung der allein stehenden Frau verstehen, (sehr schweren Herzens) abzutreiben. Sie hat ihr Kind früh getötet (wie sie selbst sagt), um ihm ein schweres Leben als Kind einer nicht perfekten, allein erziehenden Mutter zu ersparen.

Aber welche Mutter ist denn perfekt? Ist nicht jedes Leben – auch eines mit Schwierigkeiten – mehr wert als der Tod? Welcher Erwachsene mit einer schweren Kindheit würde sagen, er sei lieber nicht am Leben? Und wenn, sollte man diese Entscheidung diesem Menschen dann nicht wenigstens selbst überlassen? Wer von uns hat denn überhaupt eine reibungslose Kindheit erlebt?

Ich bin allein erziehende Mutter von drei Kindern (5, 7, 8 Jahre) seit der Geburt des jüngsten und kann bestätigen, dass dies für alle Beteiligten (Kinder, Mutter, Vater) schwer ist. Aber ich glaube, keiner von uns wünscht sich diese Kinder wieder weg. Sie selbst sich wohl am wenigsten. Sie haben einen ungeheuren Lebenswillen und kämpfen um jeden Zentimeter Lebensraum, den sie beanspruchen können. Und wenn es nur darum geht, wer morgens Kakao kochen darf (während Mama sitzen bleibt!).

Ich diskutiere auch mit meinen Kindern über Themen wie die Taliban, weil ich es wichtig finde, dass sich Kinder schon früh mit dieser manchmal sehr schwierigen Welt auseinander setzen. Nichtsdestotrotz kann ich bestätigen, dass es als allein erziehende Mutter schwer sein kann, Gelegenheiten zu Gesprächen mit anderen Erwachsenen zu finden. Tags stören die „Gören“ und abends ist man an die Wohnung gefesselt.

Die vor Augen geführte Radikallösung hat jedoch auch ein Gutes. Als selbstkritische und manchmal verzagende Mutter kann ich mir sagen: Das jedenfalls habe ich meinen Kindern nicht angetan! Andersherum: „Die Tatsache, geboren zu sein, kann in keinem Fall als Schadensfall anerkannt werden“, sieht der neue französische Gesetzentwurf vor, selbst nicht im Falle von Behinderung! Das sehe ich auch so. ANNA MEYER, Hamburg