Auf den Osten hoffen

Angela Merkel schien die Bilderbuchkandidatin für den Osten. Vorbei. Doch auch Stoiber darf auf den Respekt der Ostdeutschen hoffen

BERLIN taz ■ Der Osten gerät immer dann besonders ins Blickfeld, wenn er falsch gewählt hat. Regelmäßig beugen sich dann die westdeutschen Großanalysten mit der Lupe über die, wie sie immer noch sagen, „neuen Bundesländer“ und fragen sich besorgt: Was wählen die da bloß? Ganz besonders schmerzhaft ist die Übung alle vier Jahre nach den Bundestagswahlen, denn die werden in Ostdeutschland entschieden. 1990 und 1994 ist Kohls Kanzlerschaft zu allererst im Osten verlängert worden und 1998 durfte sich Gerhard Schröder vor allem bei seinen Brüdern und Schwestern zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen bedanken. Sie waren scharenweise zur SPD übergelaufen.

Nun schien die CDU mit Angela Merkel eine Politikerin ins Rennen schicken zu können, die für diese Situation wie geschaffen schien: eine von drüben, die die Sprache der Leute im Osten spricht. Eine, die gezeigt hat, dass es Ostdeutsche im Westen bis ganz an die Spitze schaffen können. Ob das gereicht hätte, sei dahingestellt. Aber so viel darf als sicher gelten: Der Mann, der Angela Merkel im Rennen um die Kanzlerkandidatur ausgestochen hat, geht mit schlechteren Karten ins Rennen. Edmund Stoiber und der Osten – das passt kulturell ungefähr so gut wie Gerhard Schröder zu einer vegetarischen Frühlingsrolle.

Trotzdem kann Stoiber auf den Osten hoffen, wenn auch eine Liebesheirat komplett ausgeschlossen werden darf. Zum einen sehnen sich die Ostdeutschen nach Führung, nach starken Volkshelden, die es in der DDR nie gab. Das kommt Stoiber entgegen, wobei die Leute eher freundliche Patriarchen wie Stolpe oder Biedenkopf schätzen. Stoiber dürfte ihnen einen Schuß zu kühl und zu forsch sein. Aber Respekt für sein Wirtschaftswunderland ist dem Bayern gewiss.

Profitieren könnte Stoiber außerdem von der Tatsache, dass Ostdeutschland die Heimat der Wechselwähler ist. Die Ostdeutschen wählen pragmatisch – und Personen. Es ist nicht unüblich, heute der SPD, morgen der PDS und übermorgen der CDU die Stimme zu schenken. Feste biografische Bindungen an eine bestimmte Partei oder ein Milieu gibt es – mit Ausnahme der PDS – dort so gut wie nicht. Wahlergebnisse sind viel stärker als im Westen von aktuellen Stimmungen abhängig. Und momentan ist die Stimmung schlecht wie lange nicht. Die Arbeitslosenquote ist so hoch (17,5 Prozent), wie das Ansehen der rot-grünen Regierung niedrig ist.

Also, Stoiber sollte ruhig mal nach Schwerin oder Cottbus fahren und sich ein bißchen umhören. Tut auch nicht weh. JENS KÖNIG