Aktenfresser gegen Dauerläufer

Das Wahljahr 2002 wird zu einer Konfrontation zwischen den Vorkämpfern Joschka Fischer und Edmund Stoiber. Weil Rot-Grün auf Polarisierung setzt, ist der Außenminister jetzt auch für die SPD „doppelt wichtig“. Nur Stoiber will noch nicht mitspielen

BERLIN taz ■ Rot-Grün reagiert auf die Ernennung von CSU-Chef Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten der Union. Joschka Fischer soll alleiniger Spitzenkandidat der Grünen bei der Bundestagswahl werden – ein Novum in der grünen Parteigeschichte. Auch die SPD setzt auf den Außenminister: Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs sagte der taz, nachdem sich die Union für Stoiber entschieden habe, „ist Joschka Fischer in der Wahlauseinandersetzung natürlich doppelt wichtig geworden“.

In der Fraktionsführung der Grünen sei man sich einig, dass Fischer nicht nur de facto wichtigster Wahlkämpfer werden solle, sondern auch durch einen Beschluss des Parteirats, hieß es am Wochenende. So könne gezeigt werden, dass der angebliche Graben zwischen Fischer und der Partei nicht existiere. Auch Grünen-Chefin Claudia Roth, die bisher eine einzelne Spitzenkandidatur ablehnte, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, es sei ganz klar, „dass Joschka eine herausgehobene Stellung erhält“.

Stoiber und seine Mitstreiter in der Union übten sich am Wochenende in moderaten Tönen. Er strebe „keinen diffamierenden Wahlkampf“ an, versicherte Stoiber. „Ich will, dass es ein Wahlkampf der Kompetenz wird.“ Damit widersprach er Bundeskanzler Schröder, der in einem Spiegel-Interview gemutmaßt hatte: „Ein Kandidat Stoiber wird die Gesellschaft polarisieren.“ Grünen-Chef Fritz Kuhn sagte der Süddeutschen Zeitung, unter dem „Demagogen“ Stoiber drohten „alle gesellschaftlichen und ökologisch-sozialen Reformen der rot-grünen Koalition einkassiert“ zu werden. Das werde grüne Wähler mobilisieren.

Im Interview mit der taz kündigte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) dagegen an, er erwarte von Stoiber einen zur Mitte hin gerichteten Wahlkampf. Im Verhältnis etwa zur Wirtschaftspolitik werde das Thema Zuwanderung „sicherlich nicht die dominante Rolle einnehmen, die es im hessischen Wahlkampf mal gespielt hat“. Die „Zerrbilder“, die über Stoiber verbreitet würden, „dürften ziemlich schnell zerreißen“, sagte Koch.      LKW

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