Die lieben Alten daheim

Vatermord, Inzest und Kartoffelbrei: Didier Nkebereza inszeniert Hugo Claus’ Stück „Heimkehr“ am bat Studiotheater. Er erzählt von der Not alternder Eltern und watet dabei tief und ernst in den Tugenden bürgerlicher Selbstzerfleischung

Wenn junge Schauspiel- und Regietalente ihr Elternhaus verlassen, beispielsweise um an der hiesigen Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ zu studieren, mag sie gelegentlich die Sorge plagen, was wohl aus den lieben Alten daheim geworden ist.

Wie bei Didier Nkebereza die Dinge liegen, der im vierten Jahr Regie studiert, ist zwar nicht näher bekannt. Aber er hat ein Herz für Eltern, das merkt man gleich. Deshalb hat er als Probe aufs Exempel am bat Studiotheater nun Hugo Claus' Stück „Heimkehr“ inszeniert. Da kehrt ein junger Mann nach Hause zurück und findet seine Eltern, wie sie in den Niederungen eines unerfüllten Lebens darben. Denn Eltern, deren Kinder das Haus verlassen haben, können natürlich nicht glücklich sein. Ihr Leben scheint ohne die „lieben Kleinen“ unerfüllt, sinnlos, leer. Das wissen nicht nur die eitlen Nachkommen.

Rik heißt der junge Mann, und bei seinem Pa ist der sexuelle Notstand ausgebrochen. Mit Ma kann er zwar Karten spielen, aber darin ist seine Beziehung zur Ehefrau auch schon erschöpft. Dass Pa jeden Abend einschlafen muß und „keiner weiß, das ich ein Mann bin!“, zerreißt ihm Hose und Herz. Und dem Sohnemann erst recht. Deshalb bietet der dem Vater als ambulante Notfallmaßnahme bei einem Besuch daheim die eigene Freundin an. „Sie würde es tun“, beteuert der Sohn, und überlässt die beiden ihrer absurden situation, derweil er mit Ma Vandaele zum Einkaufen fährt.

Die ältliche Ma und der sexuell unerfüllte Pa sind die Vorführobjekte, an denen wir etwas über die Tragik des Alters lernen sollen. Getoppt wird deren bedauernswerte Lage noch von einer sabbernden und inkontententen alten Frau mit Rollstuhl und pinkfarbenem Morgenmantel (arm: Sigi Pawellek).

Altern heißt nicht bloß, dass man sexuell nicht mehr ausgelastet ist, sondern auch andere Körperfunktionen sichtlich auf der Strecke bleiben: So differenziert also beschreibt der junge Mensch von heute den Generationskonflikt.

Uli Krohm spielt Pa mit Hang zur Comedy: stolpernd, augenverdrehend, an der Hose fistelnd. Claudia Lippert muss ganz die ältliche und vom Klimakterium geplagte Mutti geben, die ab und zu in posterotischer Anwandlung das Bein dem Sohn in den Schoß schwingen darf. Sterica Rein ist als langbeinige Sonja ganz witzig, aber darstellerisch nicht sehr ausgelastet. Jannek Petris Rik hat „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“-Charme.

Der junge Regisseur hat mächtig tief in die Klischeekiste gegriffen. Schon das Stück selbst ist reichlich manieriert und watet satt in Lieblingsthemen bürgerlicher Selbstzerfleischungsdramatik: Vatermord, Inszest und Kartoffelbrei. Mit ein bisschen Menschenkenntnis und Ironie ließe sich daraus vielleicht eine kleine Groteske machen. Im bat Studiotheater regierte allerdings Bierernst mit klarem Hang zum Kunstgewerbe.

Als trüge das Stück selbst nicht schon dick genug auf, kommen noch Aikido-Kämpfer, Tänzer und sogar eine Puppenspielerin dazu, um noch intensiver mit dem Zaunpfahl zu winken. Und aus dem Theater ein „Ereignis“ zu machen, das sich selbst kassiert. ESTHER SLEVOGT

Heute und am 16., 18. und 19.1., jeweils 20 Uhr, bat Studiotheater der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Belforter Straße 15, Prenzlauer Berg