Sierra Leones Stehaufmännchen

Ahmed Tejan Kabbah, Präsident des Landes, ist der Gewinner des erfolgreichen Friedensprozesses

BERLIN taz ■ Vor drei Jahren kontrollierte er nicht einmal die Hauptstadt seines Landes. Heute ist der Präsident von Sierra Leone unangefochten wie nie zuvor. Der zehnjährige Bürgerkrieg gegen die Rebellen der „Revolutionären Vereinigten Front“ (RUF) ist offiziell beendet, und jetzt kann sich Ahmed Tejan Kabbah auf die nächste Herausforderung vorbereiten: seine Wiederwahl. Nach neuesten Meinungsumfragen käme er auf satte 80 Prozent.

Das sind zwanzig Prozent mehr als 1996, als Kabbah sich zuletzt zum Präsidenten wählen ließ. Damals war Sierra Leone das klassische Beispiel eines „failed state“, eines gescheiterten und zerfallenen Staates. Die anglophile politische Klasse, die Sierra Leone seit der Unabhängigkeit 1961 beherrscht hatte, war vollständig diskreditiert und schon etliche Jahre zuvor von unzufriedenen jungen Soldaten gestürzt worden. Die RUF-Rebellen kontrollierten weite Teile des Landes. Die Wahlen 1996 erschienen wie ein schlechter Witz, Kabbah war ein Sieger ohne Macht.

Das Friedensabkommen, das Kabbah noch im selben Jahr mit der RUF schloss, hielt gerade sieben Monate, bevor ein neuer Militärputsch Kabbah aus dem Amt fegte. Mit britischer Hilfe rettete er sich ins Nachbarland Guinea, mit nigerianischer Hilfe wurde er 1998 wieder in sein Amt eingesetzt. Von den Rebellen als Marionette des Auslands verschrien, präsentierte er sich im Gegenzug als Demokrat und als einziger Garant halbwegs ordentlicher Institutionen.

Kabbah repräsentiert in Sierra Leone den verblassten Schein besserer Zeiten. Geboren im Februar 1932 in der Stadt Pendembu, studierte er Jura in Wales und praktizierte als Rechtsanwalt, bevor er 1959 in den britischen Kolonialdienst eintrat und nach der Unabhängigkeit 1961 noch acht Jahre im Staatsdienst weiterarbeitete. Seine prägende Zeit waren die 21 Jahre, die er als Mitarbeiter der UNO verbrachte. Zwischen 1971 und 1992 arbeitete er sich im UN-Entwicklungsprogramm UNDP bis zum Verwaltungschef hoch – eine Position, in der er sich auch mit dem ebenfalls westafrikanischen UN-Untergeneralsekretär Kofi Annan anfreundete.

Die Bande zwischen Annan und Kabbah erklären zum Teil, warum Annan Sierra Leone zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit und zum Stationierungsort der größten UN-Blauhelmmission der Welt gemacht hat. Politiker, die anders als Kabbah ihre Karriere in Sierra Leone gemacht haben und nicht in New York, haben eine eher geringe Meinung von ihrem Präsidenten, dem sie vorwerfen, politische Initiative allein der UNO und den diversen ausländischen Eingreiftruppen zu überlassen und selbst sein Amt eher passiv auszuüben.

Diesem Eindruck will Kabbah nun entgegentreten, indem er sich auch gegen Opposition aus den Reihen der eigenen Partei zur Wiederwahl bei den für Mai geplanten Präsidentschaftswahlen aufstellen lassen möchte. Sein Wahlkampfthema wird wohl sein, dass er bisher wegen des Krieges kaum Gelegenheit zum Regieren hatte. Den Kampf gegen Korruption hat er bereits als „unseren nächsten Krieg“ bezeichnet.

„Der Frieden ist lange überfällig“, sagte er am vorletzten Sonntag bei einem ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken an die Zerstörung weiter Teile der Hauptstadt in Kämpfen mit Rebellen vor drei Jahren. „Ich glaube, dass Gott heute mit uns ist.“

DOMINIC JOHNSON