Glasklare Zukunft

Der Empfang der Innung „Gebäudereiniger“ zeigt, warum sie die besseren Politiker sind  ■ Von Annette Kohlmüller

Fenster wischen, auf Dachkanten balancieren, Bauschutt beiseite räumen, Büros, Kindergärten, Pflegeheime und Krankenhäuser putzen: so gestalten sich die vielfältigen Aufgaben einer wenig beachteten Berufsgruppe, der Gebäudereiniger. „All diese Tätigkeiten verstießen doch nicht gegen die Menschenrechte“, meinte Olaf Scholz, Vorsitzender der Hamburger SPD-Landesorganisation beim gestrigen Neujahrsempfang der Innung „Gebäudereiniger“. Er konnte nicht verstehen, dass das Handwerk über Nachwuchssorgen klagte.

„Das Arbeitsamt muss mehr Druck machen“ meinte Scholz. Immerhin sei es eine Frage der Moral, 40 Stunden die Woche hart zu arbeiten - selbst wenn das Monatseinkommen nur geringfügig über dem Sozialhilfesatz für eine vierköpfige Familie liegt. Wer es sich lieber zu Hause gemütlich mache, als für einen Brutto-Stundenlohn zwischen 7,75 und 11,28 Euro mit ätzenden Reinigungsmitteln zu hantieren und bei Wind und Wetter an Fassaden zu kleben, der müsse streng sanktioniert werden. Sonst könne man die Arbeitslosenstatistik nie bereinigen.

„Gebäudepfleger ist ein Zukunftsberuf“, warb Scholz vollmundig: „es wird immer genug zu tun geben“. Recht hat er. Wie viel politisch Verantwortlichen fehlt noch der klare Durchblick? Da sind Menschen gefragt, „die gute und ehrliche Arbeit machen wollen“, Gebäudereiniger eben. Leider mangele es heutzutage an den Tugenden, die noch im vorletzten Jahrhundert die Industrialisierung maßgeblich geprägt hätten: Pünktlichkeit, Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit. Nicht nur die Handwerksmeister, sondern vor allem die Schulen hätten versagt, den Nachwuchs entsprechend zu erziehen. Kein Wunder also, dass Hamburg im Schmutz versinkt und die Aussichten immer trüber werden.

Vielleicht sollte Olaf Scholz selbst zum Putztuch greifen, um in seinen Räumen den Staub von Aktenordnern und Gesetzen zu entfernen. Wenn er sich nicht allzu ungeschickt anstellt, kann er vielleicht, wie in der Branche üblich, vom „Unterhaltsreiniger“ für Innenräume zum Gebäudereiniger für Außenfassaden aufsteigen. Dann darf er in Hamburg ganz oben stehen, in einem wackeligen Förderkörbchen „mit Zukunft“.