Deutsch als Funfaktor

Keine Angst vor der deutschen Sprache: Mit einer Ausstellung in der Kulturbrauerei zeigt das Goethe-Institut, wohin die Entdeckungsreise gehen soll: in den Vergnügungspark

Mark Twain wusste, was Sache ist, als er schrieb: „Ich bin überzeugt, dass ein begabter Mensch Englisch in 30 Stunden, Französisch in 30 Tagen und Deutsch in 30 Jahren lernen kann.“ Die Überzeugung, dass die Sprache eigentlich unlernbar ist, hält sich bis heute. Ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht, obwohl es immer wieder Genies gibt, denen Artikel, Konjugationen und Flektionen nichts anhaben können. Alle anderen Lernwilligen arbeiten sich durch die grammatischen Regeln, die mit Unzuverlässigkeit glänzen, und geben nicht auf. Im Gegenzug manövrieren sich Lehrer durch die eigene Ratlosigkeit, wenn Warum-ist-das-so-Fragen auftauchen, die bis dato in keinem Lehrbuch erklärt sind.

Nun aber wird das Goethe-Institut zum Hoffnungsträger, tingelt es doch mit einer Dauerausstellung durch die Welt, die den Frust anpackt. Unter dem Motto „Deutsch entdecken“ erfahren die Neugierigen, dass es ein Abrakadabra gibt, mit dem sich die geheimnisvolle Tür zur Sprache, die in circa 100 Ländern der Welt unterrichtet wird, öffnet. Der Funfaktor, der die Werbekampagnen begleitet, ist auch hier oberster Imperativ.

Drei verschiedenfarbige Pavillons bilden den Kern des linguistischen Vergnügungsparks. Im blauen, dem mit der kalten, rationalen Farbe soll die Sprache über ihre inhärente Logik vermittelt werden. Im roten wird der intuitive Ansatz gesucht, und im gelben geht es um Kommunikation.

Mit Wort- und Satzspielen, mit Minutensequenzen aus deutschen Filmen, mit Ausschnitten aus den Standardwerken von Musik, Theater und Tanz wird nicht nur kulturelle, sondern auch sinnliche Vielfalt signalisiert. Die Ausstellung jongliert zwischen Dialekten und statistischen Angaben zum Lebensstil, zwischen „der“, „die“, „das“ und dem Unwort des Jahres, zwischen Olympiastadion in München und Wagners Ring der Nibelungen, zwischen Fingeralphabet, blauem Engel, den Firmenlogos von Märklin und Zeiss sowie der deutschen Variante für den Schrei eines Hahnes.

Weil auch das Goethe-Institut mittlerweile der Meinung ist, dass man die Leute da abholen müsse, wo sie stehen, wird Alltagskultur groß geschrieben und große Kultur in essbaren Häppchen verteilt. Joachim-Felix Leonhard, der neue Generalsekretär, bringt es auf den Punkt. Realistisch gesehen sei es wahrscheinlicher, von Beckenbauer zu Goethe zu kommen als von Goethe zu Beckenbauer. Unnötig zu bedauern, dass er Recht hat.

WALTRAUD SCHWAB

„Deutsch entdecken“, Ausstellung in der Flaschenbier-Abteilung der Kulturbrauerei, bis 17. Februar