Gute Miene nach bösem Spiel

215 Tage war der rot-grüne Senat im Amt. Zum Abschied gab es noch einmal einen regen Austausch von Freundlichkeiten. Doch hinter vorgehaltener Hand klagen nicht nur grüne Senatoren über den Umgangston des Regierenden Bürgermeisters

von ROBIN ALEXANDER

Bei der Verabschiedung der ersten Regierung Wowereit fehlte gestern einer, der bleibt: Wowereit selbst. Der Flug des Regierende Bürgermeister vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle war am frühen Morgen gestrichen worden: „Quelle malheur“ kommentierte Wowereit. So blieb Dank und Verabschiedung für 215 Tage rot-grüner Regierungsarbeit seinem Stellvertreter Klaus Böger vorbehalten. Christine Krajewski, scheidende SPD-Finanzsenatorin, bescheinigte Böger „hervorragende Arbeit“, der grünen Kultursenatorin Adrienne Goehler „Leidenschaft“, Juliane Freifrau von Friesen (Grüne) und Gaby Schöttler (SPD) immerhin „saubere Arbeit“. Wolfgang Wieland wurde zuletzt von Böger angesprochen, er sei ein „Justizsenator mit Leib und Seele“ gewesen. Für die Grünen sprach Wieland Dankesworte, auch in Richtung des Senatsprechers Helmut Lölhöffel. Eine Entscheidung, ob dieser oder Michael Donnermeyer, bisher Sprecher beim SPD-Bundesvorstand, für den neuen rot-roten Senat die Presse informieren wird, hat Wowereit noch immer nicht mitgeteilt.

Eine politische Bilanz des rot-grünen Senats, wie sie Wieland und Wowereit später auf einer Pressekonferenz in Ansätzen versuchten, lohnt kaum: Spätestens nach der Wahl im Oktober wurden nur noch unstrittige Tagesentscheidungen gefällt. Lediglich die endlich entschiedenen Personalien in der Kultur und der Beginn der juristischen und organisatorischen Aufräumarbeiten in Sachen Bankgesellschaft fallen wohl ins Gewicht. Die diese Bereiche verantwortenden Senatoren scheiden komplett aus. Wieland erklärte, die Hauptaufgabe von Rot-Grün habe darin bestanden, den Weg für eine neue politische Konstellation frei zu machen. „Schade, dass wir nicht dabei sind“.

Der öffentliche Austausch von Freundlichkeiten zwischen Wowereit und Wieland steht in krassem Gegensatz zu anderen Berichten aus dem rot-grünen Senat. Der rüde Umgangston Wowereits wird unter der Hand sowohl von roten, als auch von grünen Quellen bestätigt. Lautstarke Auseinandersetzungen am Kabinettstisch können zumindest mit den Senatoren Goehler, von Friesen und Strieder als gesichert angenommen werden. Sogar in den Sondierungsgesprächen mit den Grünen soll Wowereits Art thematisiert worden sein. Ein Sprecher erklärte gestern zur Kritik aus den eigenen Reihen: „Der Regierende Bürgermeister wird Fraktion und Partei zeigen, dass er zusammen mit dem Landesvorsitzenden zu führen versteht.“