american pie
: Basketballer Shaquille O’Neal greift zum Faustrecht

Shaq-a-Hack mit Luftloch

Wenn jemand weiß, welche Gefahren einem auf einem simplen Basketballfeld drohen können, dann ist es Charles Oakley. So war es wohl auch dem Eingreifen des 38-jährigen Veteranen von den Chicago Bulls zu verdanken, dass am letzten Samstag sowohl der Kopf seines Mannschaftskollegen Brad Miller als auch die Meisterschaftsambitionen der Los Angeles Lakers intakt blieben. Deren Center Shaquille O’Neal kam nämlich überaus glimpflich mit einer Sperre von drei Spielen davon, nachdem er Miller nachgesetzt war und versucht hatte, ihn von hinten mit einem mächtigen Schwinger zu erwischen, der nach Augenzeugenberichten jedem Ochsen ausdauerndes Schädelbrummen verursacht hätte. Anders als Miller hatte Oakley das Unheil geahnt und war Shaq in den Arm gefallen, sodass der Schlag nur das Ohr des Opfers streifte.

Bei einer ernsthaften Verletzung des Bulls-Centers hätte die NBA unter großem Druck gestanden. Die Basketballer geben sich gern als Musterknaben der Profiligen und hätten kaum allzusehr hinter der Eishockeyliga NHL zurückstehen können, die den Profi Marty McSorley wegen eines Stockschlages von hinten ein ganzes Jahr gesperrt hatte. Marcus Camby vom NBA-Klub New York Knicks hatte letzte Saison fünf Spiele pausieren müssen, nachdem er San Antonios Danny Ferry ins Gesicht geschlagen hatte. Dem war nichts passiert, dafür hatte sich der damalige Knicks-Coach Jeff Van Gundy im Tumult ein mächtiges blaues Auge eingehandelt.

Dass O’Neal nun so glimpflich davonkam, dürfte vor allem daran gelegen haben, dass Miller und Oakley mit zwei nahezu gleichzeitig verübten schweren Fouls Auslöser für Shaqs Zornesausbruch gewesen waren und ihn bereits vorher nach bewährter Hack-a-Shaq-Taktik permanent traktiert hatten. Weil der mächtige Center ein solch miserabler Freiwerfer ist, wird er von vielen Teams lieber gefoult, bevor man ihn dunken lässt. Sanft geht es dabei selten zu. „Du kannst ihn nicht sachte angehen, dann wischt er dich weg wie ein Fliege“, sagt Chicagos Brad Miller, „du musst ihn richtig umklammern.“ Miller und Oakley wurden nach dem Eklat ebenfalls disqualifiziert und für je ein Spiel gesperrt. Oakley, der sich nach Meinung des Schiedsrichters keineswegs als Schlichter ins Getümmel gestürzt hatte, bekam noch ein Extramatch Sperre, weil er zu viele „Flagrant Fouls“ akkumuliert hat.

Lakers-Coach Phil Jackson und Shaq selbst hatten seit längerem an die Schiedsrichter appelliert, strenger gegen das Hack-a-Shaq vorzugehen, welches nach O’Neals Behauptung übrigens kein anderer als Jackson in seiner Zeit bei den Chicago Bulls erfunden hat, was der Coach aber bestreitet. „Eines Tages wird mich jemand foulen“, hatte Shaq schon vor Saisonbeginn prophezeit, „und ich werde anfangen, verrückt zu spielen. Foul mich unter dem Korb und ich habe was für dich.“ Verständnis äußerte der 19-jährige Bulls-Rookie Tyson Chandler: „Dieser Typ wird so viel gefoult, und das absichtlich. Ich wundere mich eher, dass er so oft die Beherrschung behält.“ Ähnlich sieht es Shaqs Mannschaftskollege Kobe Bryant: „Man kann nur ein bestimmtes Maß an physischem Missbrauch hinnehmen. Manchmal muss man eben tun, was man tun muss.“ Zen-Jünger Phil Jackson wagte sogar einen Ausflug in den Darwinismus: „Die Natur des Mannes ist es, sich zu verteidigen.“

Das Problem hat jedoch zwei Seiten, denn so viel Shaq einsteckt, so viel teilt er aus. Mit schierer Gewalt räumt die menschliche Dampfwalze seine Gegenspieler unter Einsatz von Schultern und Ellbogen häufig regelwidrig beiseite. Besonders krass geschah dies im NBA-Finale gegen Philadelphias Mutombo. „Wenn die NBA die harten Fouls gegen Shaq bestrafen will“, so der Sportkommentator Marty Burns völlig korrekt, „dann muss sie auch seine Offensivfouls pfeifen.“

Shaq schäme sich seines Ausbruchs, wusste Phil Jackson inzwischen zu berichten, sein Team bewies, dass es auch ohne ihn klar kommen kann. Nachdem das turbulente Match bei den Bulls in der Verlängerung verloren worden war, schlugen die Lakers am Montag die Memphis Grizzlies mit 120:81. 56 Punkte – Saisonrekord – erzielte, obwohl er im gesamten letzten Viertel aussetzte, Kobe Bryant. Der hatte auch eine Botschaft an die Bulls für das Rückspiel am 6. Februar: „Lasst sie feiern und Konfetti schmeißen, wir kümmern uns um ihre Ärsche, wenn sie nach L. A. kommen.“ MATTI LIESKE