Rüsselsheim liegt da, wo Opel ist

Knapp 700 Millionen Euro Verluste machte der Konzern im vergangenen Jahr. Management legt „Horrorkatalog“ für die Beschäftigten vor. Die Stadt Rüsselsheim leidet mit, denn Opel-Mutter General Motors hat zu Hause in den USA eigene Sorgen

aus Rüsselsheim KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Opel – der Zuverlässige!“ Das war einmal. Seit Jahren konstant zuverlässig präsentiert die Adam Opel AG nur noch rote Zahlen in den Bilanzen. Knapp 700 Millionen Euro an operativen Verlusten wird der neue Vorstandsvorsitzende Carl-Peter Forster heute auf der Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 2001 in Frankfurt verkünden – noch rund 250 Millionen Euro mehr an Verlusten als im Jahr davor.

Dass der im vergangenen Jahr von BMW in München zur General Motors (GM) -Tochter Opel nach Rüsselsheim gewechselte Volkswirt und Ingenieur dennoch einen Jahresüberschuss „im hohen einstelligen Millionenbereich“ vorweisen kann, verdanken die Autobauer vom Main nur der erfolgreichen Arbeit ihrer Banker. Nur weil auch die Pkws von Opel heute fast ausschließlich auf Pump gekauft werden, ist die Opelbank in der Lage, die Konzernbilanz mit ihren Gewinnen aufzupolieren: rein optisch.

Das Desaster aber ist umfassend. Das mit den Betriebsräten im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Restrukturierungsprogramm Olympia, von dem sich Forster erhoffte, „spätestens 2003“ wieder schwarze Zahlen in die Bilanzen hineinschreiben zu können, ist zum Teil schon wieder Makulatur. Noch mehr Arbeitsplätze als die in Olympia festgeschriebenen 2.500 sollen noch in diesem Jahr bei Opel abgebaut werden. Und die Arbeitnehmer an den Produktionsstandorten Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern müssen ihre Gürtel enger schnallen: Die übertariflichen Zulagen in Höhe von 20 Prozent sollen zusammengestrichen und nur noch 50 Prozent vom bislang noch vollen 13. Monatsgehalt ausgezahlt werden. Einen nicht zu akzeptierenden „Horrorkatalog“ nannte der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Klein diesen Krisenplan der Unternehmensführung.

In Rüsselheim dementierte Forster letzten Sonntag öffentlich Gerüchte aus den USA, wonach die Konzernmutter GM beabsichtige, ihre Tochter Opel bald zu verstoßen, wenn die weiter nur Geld koste und nichts zum Familieneinkommen beitrage. „GM steht zu Opel“, sagte Forster auf dem Neujahrsempfang des örtlichen Gewerbevereins bestimmt. Das US-Unternehmen habe schließlich gerade erst 750 Millionen Euro für „Leanfield“ in Rüsselsheim ausgegeben. Für Forster ein „sichtbares Bekenntnis zum Standort“. Der Kanzler kommt noch in diesem Monat zur offiziellen Einweihung der wohl weltweit modernsten Automobilfabrik, in der der neue Vectra produziert wird.

Doch die Bürger von Rüsselsheim bleiben skeptisch. „Lean“ (mager) heiße schließlich nicht fett, konstatierte die Lokalzeitung Rüsselsheimer Echo. Dass sich die Stadt verändern muss, um notfalls auch ohne Opel oder mit Opel light überleben zu können, glaubt auch Oberbürgermeister Stefan Gieltowski (SPD). „Neue Arbeitsplätze können nur dort entstehen, wo anderes als Autos gebaut wird“, sagte er. Und verweist dann doch wieder auf erste Ansiedlungserfolge im Neubaugebiet „Blauer See“, wo ausgerechnet der japanische Autobauer Hyundai seine Europazentrale errichten will.

Unterdessen klammert sich der Betriebsrat an den Rahmenvertrag mit GM-Europa vom vergangenen Jahr. Darin sei festgeschrieben worden, dass es in den nächsten fünf Jahren keine betriebsbedingten Kündigungen geben dürfe – und keine Standortschließungen. Opel-Boss Forster bestätigte das; GM-Boss Rick Wagoner (noch) nicht. GM führt in den Staaten einen Rabattkrieg gegen Ford und DaimlerChrysler, der den Konzern viel Geld kostet. Rüsselsheim hingegen ist weit weg.