Chinas Banken in der Krise

Der Rauswurf eines der höchsten Bänker im Lande bringt prekäre Lage der staatlichen Geldinstitute ans Licht. Mit dem WTO-Eintritt droht nun Konkurrenz aus dem Ausland

PEKING taz ■ Er galt als Inbegriff des modernen chinesischen Managers: Wang Xuebing, seit zwei Jahren Chef der China Construction Bank, einer der vier chinesischen Staatsbanken mit 420.000 Angestellten. Er gab sich weltoffen, bewegte sich sicher auf internationalen Konferenzen, beeindruckte in- und ausländische Ökonomen durch seine Blitzkarriere. Noch vor kurzem schien es, als ob dem 49-Jährigen der Himmel offenstehe. Um so jäher kam sein Sturz am vergangenen Wochenende. Zentralbankschef Dai Xianlong bestätigte am Dienstag in Peking Wangs Rauswurf, der von höchsten Gremien der Kommunistischen Partei beschlossen worden sei. Die dürre Begründung: Während seiner früheren Amtszeit als Chef der Bank of China zwischen 1993–2000 habe es „Unregelmäßigkeiten“ bei Kreditgeschäften gegeben.

Die überraschende Entlassung hat die in- und ausländische Finanzwelt aufgeschreckt: Denn nichts kann China nach dem Beitritt in die Welthandelsorganisation (WTO) so schlecht gebrauchen wie Zweifel an der Stabilität seiner Geldinstitutionen. China will Investoren anlocken. Die Bank of China wollte in Kürze mit einem riesigen Aktienpaket von über vier Milliarden Dollar an die Börsen in Hongkong und New York gehen. Dieser Plan könnte sich nun verzögern.

Noch liegen die Hintergründe im Dunkeln. Nach Informationen des Asian Wall Street Journal geht es unter anderem um faule Währungsgeschäfte und Kredite, die in den Neunzigerjahren von der Bank of China in New York vergeben wurden. Wang war Chef der New Yorker Filiale, bevor er 1993 Präsident der Bank of China wurde. Auch US-Finanzfahnder ermitteln offenbar seit längerem gegen die Bank of China. Pekinger Behörden durchforsten inzwischen die Bücher des Unternehmens. Mittlerweile ist von Geldwäsche die Rede. Die Untersuchungen wurden auf inländische Filialen ausgedehnt.

Unklar ist, ob Wang aktiv an Unterschlagungen oder an Geldwäsche beteiligt war oder ob er nur beschuldigt wird, seine Aufsichtspflicht verletzt zu haben. Offen ist auch, ob die Entlassung des Bankchefs mit dem mysteriösen Verschwinden von Devisen in Millionenhöhe aus den Büchern der Bank zu tun haben. Ein enger Mitarbeiter Wangs in der New Yorker Devisenabteilung der Bank of China, Li Fuxiang, hatte sich 2000 das Leben genommen, nachdem er in Korruptionsverdacht geraten war.

Die Affäre wirft ein Schlaglicht auf die prekäre Lage der chinesischen Staatsbanken, von denen die meisten nach Meinung von Experten technisch bankrott sind. Denn ein großer Teil der Kredite geht an veraltete Staatsunternehmen und Behörden, die nur selten ihre Schulden tilgen. Laut Zentralbank sitzen die Geldinstitute auf einem Riesenberg fauler Kredite: umgerechnet knapp 170 Milliarden Euro. Es ist ein Erbe des sozialistischen Systems, dass Politiker und Staatsunternehmer die vier großen kommerziellen Geldinstitute Chinas (Bank of China, China Construction Bank, Industrial and Commercial Bank of China und Agricultural Bank of China), die 80 Prozent aller Darlehen des Landes vergeben, schlicht als Goldesel betrachten.

Das wird sich in naher Zukunft kaum bessern. Anstatt die unprofitablen Staatsbetriebe zu schließen, zwingen Behörden die kommerziellen Banken weiterhin, sie über Wasser zu halten, um Arbeitsplätze zu sichern und soziale Unruhen zu verhindern. Die Banken haben inzwischen sogenannte Vermögensverwaltungsgesellschaften gegründet, die versuchen sollen, bankrotte Firmen zu sanieren oder zu verkaufen. Die Zeit drängt, denn ausländische Konkurrenz droht: Nach den Regeln der WTO dürfen ausländische Banken in drei Jahren eigene Filialen in China eröffnen. JUTTA LIETSCH