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Der tote Hund und der Tod von Viva zwei
: Schrecklich kalte Welt

Kaum hat das Jahr begonnen, ist es schon wieder sehr interessant. So gibt es für den Bezirk Berlin-Mitte ein erstes vollautomatisches Restaurant voller Automaten, für ganz Berlin sogar einen neuen Senat und für ganz Deutschland seit kurzem kein Viva 2 mehr. Das ist natürlich furchtbar tragisch.

Um den Verlust aber nicht so schmerzhaft werden zu lassen, haben sich die Verantwortlichen den Ersatzsender Viva Plus ausgedacht. Doch wie sich zeigt, kommt der Ersatz nicht ganz so gut an. Es ist ein bisschen so wie mit dem kleinen Kind und seinem Hund, den es immer so gern hatte, bis der Hund dann eines Tages überfahren wird, sowie dem Autofahrer, der das Kind weinen sieht und zu dem Kind dann sagt: „Sei nicht traurig, ich kauf dir einen neuen“, und das Kind, das den neuen Hund nicht haben will, weil es ja schließlich nicht um einen Hund geht, sondern um DEN einen Hund, den neuen Hund deshalb links lässt, sich stattdessen lieber dem alten widmet und ihn begräbt, weil mehr kann man einfach nicht tun, und es war ja auch so schön gewesen, die ganze Zeit, die man sich hatte. So ungefähr ist das.

Und weil es mit Viva 2 schließlich immer so schön war, wird am Freitagabend in der Volksbühne nicht etwa Viva Plus geguckt, wie auch sonst überhaupt nie von den Trauernden Viva Plus geguckt werden wird, sondern stattdessen Viva 2 in aller Form zu Grabe getragen.

Nun ist im Grunde gegen Trauerfeiern als solche nichts einzuwenden, weil sie einerseits denen, die verschieden sind, eine letzte Ehre erweisen, und sie andererseits den Trauernden eine angemessene und bereits seit vielen, vielen Jahren in durchaus unterschiedlichen Rahmen erprobte Form bieten, sich zu verabschieden. Wer wollte also gegen eine Trauerfeier etwas haben? Niemand, möchte man meinen. Doch in diesem Fall sind es ausgerechnet die Verantwortlichen, die dem beliebten Sender für immer den Strom abgestellt haben. Sie meinen, eine Trauerfeier sei dem Ruf des gesamten Viva-Unternehmens nicht zuträglich und haben den alten Viva-2-Moderatoren deshalb untersagt, die Trauerfeier zu besuchen. Würde man diesen Vorfall auf das Fallbeispiel mit dem Kind und dem Hund und dem Autofahrer übersetzen, würde man wohl von einem sehr grausamen Autofahrer sprechen. Andererseits könnte man allerdings sagen, dass das Beispiel den Fall nicht trifft, weil es sich bei der Kind-Hund-Autofahrer-Situation eindeutig um eine Unfallsituation handelt, während die Viva-Viva-2-Viva-Plus-Situation zweifellos von langer Hand geplant war, und zwar aufgrund diverser, wahrscheinlich sehr nüchterner Berechnungen wirtschaftlicher Natur.

Andererseits ließe sich einwenden, dass es auch in der Wirtschaft oft zugeht wie auf einer viel befahrenen Straße, auf der die einzelnen Unternehmen je nach Größe und Stärke unterschiedlich motorisiert und gesichert in verschiedenen Geschwindigkeiten entlangbrausen. Man darf sich das Ganze dabei nicht nur als eine einzige Straße vorstellen, sondern als ein hochkomplexes Straßenverkehrsnetz. Manchmal fallen dabei die Ampelanlagen aus, manchmal stehen auch Hunde auf der Fahrbahn. Und weil von hinten ohne auf den Sicherheitsabstand zu achten bereits andere Fahrzeuge heranrasen, kann man dann nicht einfach bremsen, da muss man über den Hund drüber, komme, was da wolle.

Man darf allerdings nicht vergessen, dass der Hund in unserem Beispiel nicht nur der Hund des Kindes, sondern auch der Hund des Autofahrers war. Ein Umstand, der noch einmal deutlich macht, dass wir in einer schrecklich kalten Welt leben.

HARALD PETERS