Statt Anti-Terror-Bund die Pro-Kultur-Allianz

Ein Taktierer und Reformierer tritt ab: Hilmar Hoffmann hat das Goethe-Institut in schwierigen Zeiten des Sparens sicher geführt. Mehr war nicht drin

Er schaut ziemlich nach Kultur aus, wenn nicht gar nach Goethe, mit dem mächtigen Kopf, den eine weiße Haarmähne umkränzt. Und für die Stiftung, die ganz nach ihm aussieht und nach Goethe benannt ist, hat er von den geplanten fünf Millionen Euro gut zweieinhalb eingeworben. Hilmar Hoffman hat auch in den Jahren, in denen der Sparkurs zweier Regierungen dem Goethe-Institut ziemlich zusetzte und die genau die Jahre seiner Präsidentschaft waren, nie aufgegeben. Er hat nach neuen Wegen gesucht, Mittel einzuwerben; das Institut wurde unter seiner Ägide personell verschlankt, die Fusionierung mit Inter Nationes über die Bühne gebracht, eine neue, betriebswirtschaftliche Haushaltsführung erprobt, die Kursgebühren wurden erhöht und so mehr Einnahmen erwirtschaftet – und, wie er öffentlichkeitswirksam klagte, es wurden auch 32 Institute in dieser Zeit geschlossen.

Dass gleichzeitig 19 neue Häuser eröffnet wurden, vergaß er an dieser Stelle gerne. Das hätte die lästigen Haushälter nur daran erinnert, dass die Einsparungen beim Goethe-Institut keineswegs die Größenordnung erreichten, die sie vorsahen. Die Haushaltssperrre, die daher letztes Jahr verhängt wurde, gilt auch in diesem Jahr. All das heißt aber nur, dass Hilmar Hoffmann ein erfolgreicher Präsident war. Er hat taktiert und er hat reformiert. Was will man mehr? Höchstens noch die Goethe-Stiftung, die, wenn sie in Gang gekommen ist, größere Flexibilität bei den stets fehlenden Projektmittel erlauben wird. Der Elan des Managers wurde bei Hoffmann von der Verve des Politikers begleitet, der die Frage der auswärtigen Kulturpolitik als „dritter Säule“ der Außenpolitik (neben der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik) für seine Institution positiv beantwortete. In der Arbeit der freien Mittlerorganisation, sah er – Hans Magnus Enzensberger beleihend – eine Bedingung für die Entwicklung eines „kulturellen Frühwarnsystems“ der Außenpolitik.

Der Mann hätte Bundesaußenminister Joschka Fischer lieb und teuer sein müssen. Aber nachdem Fischer merkte, dass die Proteste gegen Institutsschließungen nicht mehr so heftig ausfallen würden wie zu Kinkels Zeiten, wollte er lieber Finanzminister Eichel gefallen als dem von seinem Amt zwar finanzierten, aber organisatorisch und rechtlich unabhängigen Goethe-Institut beistehen. Es war dann auch Gerhard Schröder, der dem Goethe-Institut außerplanmäßige zehn Millionen Mark zugestand. Diese Erfahrung wird das Bundesverdienstkreuz mit Stern, das Hoffmann erst am Montag vom Außenminister verliehen wurde, nicht kompensieren können. Der Nachfolgerin Jutta Limbach wäre also zu wünschen, dass Joschka Fischer den Präsidentschaftswechsel nutzt, um sich in der Frage der auswärtigen Kulturpolitik neu zu positionieren. Zugegeben, Hilmar Hoffmann mag mit seinen schlagkräftigen Wortprägungen – angefangen von der missionarischen „Kultur für alle“ bis hin zur Rede vom „kulturellen Frühwarnsystem“ – mit ihrem unverkennbar utopieseligen Siebzigerjahreton oft genervt haben. (Und seine aktuelle Milchmädchenrechnung, dass sich für den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan 128 Goethe-Institute in 76 Ländern zwei bis drei Jahre lang finanzieren ließen, hilft auch nicht weiter.) Doch seine neueste Kreation von der „Pro-Kultur-Allianz“, die jetzt aus dem Anti-Terror-Bund zu schmieden sei, könnte deutlich machen, dass nicht nur Sicherheitspolitik gemeint ist, wenn es um die Verteidigung westlicher Werte geht.

Allerdings, über die sieben Millionen Euro aus dem milliardenschweren Anti-Terror-Paket, auf die das Goethe-Institut für sein Sonderprogramm „Dialog mit islamisch geprägten Ländern“ hofft, das sofort nach dem 11. September aufgelegt wurde, ist bis heute noch nicht entschieden. Das Geld wäre dort gut aufgehoben. Jürgen Habermas konnte auf Einladung des Hauses in China über Menschenrechte sprechen und Ulrich Beck nach dem 11. September über die „Weltrisikogesellschaft“ vor der russischen Duma. Es muss kein Schmusekurs sein, den die Kulturpolitik im deutsch-islamischen Dialog fährt. Immer druckvoll, bemängelte Hilmar Hoffmann erst vorgestern, dass die deutsche Außenpolitik nach dem 11. September „ein fundamentales konzeptionelles Defizit“ habe.

Hartnäckigkeit hat Hoffmann, den gebürtigen Bremer, immer ausgezeichnet. Er ist der Erfinder der Oberhausener Kurzfilmtage – wo der „junge deutsche Film“ geboren wurde – und focht in Frankfurt am Main 1971 das später vielfach nachgeahmte Konzept des Kommunalen Kinos sogar gerichtlich durch. Nachdem er in seiner Zeit als dortiger Kulturdezernent 15 neue Museen und Ausstellungsräume errichtete, die Alte Oper aufbaute und 1990 satte elf Prozent des städtischen Haushalts für die Kultur verbuchen konnte, muss die permanente Geldnot während seiner ehrenamtlichen Präsidentschaft hartes Brot für ihn gewesen sein. Doch er hat sich durchgebissen und hinterlässt seiner Nachfolgerin eine zwar bedrängte, aber schlagkräftige Organisation. In der Zeit der radikalen Haushaltskürzungen war Hilmar Hoffmann ein Glücksfall für das Goethe-Institut.

BRIGITTE WERNEBURG