Wie werde ich ZDF-Intendant?

von STEFFEN GRIMBERG

Das Zweite Deutsche Fernsehen ist nicht nur die größte TV-Anstalt Europas. Vor allem ist es ein Phänomen. Erst drei Intendanten hat das ZDF in seiner 30-jährigen Geschichte verschlissen. Deshalb weiß es gar nicht mehr, wie das geht – einen neuen Chef zu wählen. Den braucht das Zweite aber. Denn Dieter Stolte, Amtsinhaber seit 1982, geht bald zum Axel Springer Verlag. Wenn Sie sich noch rasch für den Job warm machen wollen, müssen Sie aber ein paar kleine Regeln beachten.

1. Suchen Sie sich einen Job in der zweiten oder dritten Reihe der Politik. Klein, aber fein sollte er sein. Natürlich wird der Intendant wegen seiner Kompetenz gewählt. Aber ohne politische Verortung läuft nichts. Ihrem Mitkandidaten Günter Struve nutzt es noch immer, dass er mal Reden für Willy Brandt geschrieben hat. Er gilt als Kandidat der „Roten“ – obwohl es heißt, seine Kandidatur sei von Leo Kirch eingefädelt worden. Und Ihr Mitbewerber Markus Schächter war früher mal Pressesprecher eines Mainzer CDU-Ministers.

2. Nehmen Sie Stallgeruch an. Das ZDF reformiert sich am liebsten selbst. Sie sollten schon ein paar Jährchen auf dem Mainzer Lerchenberg verbracht haben. Oder zumindest bei der befreundeten ARD. Schließlich ist Ihr Konkurrent Schächter ZDF-Programmdirektor, und Günter Struve macht den gleichen Job bei der ARD.

3. Halten Sie Ihren Freundeskreis in Ehren. Der Fernsehrat soll Sie schließlich wählen. Und die RätInnen sortieren sich hübsch nach parteipolitischer Couleur – in den „Freundeskreisen“. Vertrauen Sie bloß nicht auf die „Grauen“. Das sind die Vertreter, die nicht unter Parteiverdacht stehen. Wenn es hart auf hart kommt, werden auch die vom Lagerkoller ereilt. Dass die Parteien das Sagen haben, meint der Medienprofi Uwe Kamman, sei „ein Naturgesetz“.

4. Lesen Sie demonstrativ den Bayernkurier. Erstens braucht der Auflage, und zweitens weiß dann jeder, was Sache ist: Schließlich koordiniert dessen Exchefredakteur Wilfried Scharnagl den unionsnahen Klüngel im Fernsehrat. Und dieser „Freundeskreis Scharnagl“ hat nach der gegenwärtigen Arithmetik eine knappe Mehrheit. Auch wenn es nicht ganz für die vorgeschriebenen drei Fünftel reicht. Wenn Sie sich trotzdem auf die sozialdemokratische Seite schlagen wollen, rufen Sie sofort die Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz an: 0 61 31/16-0. Deren Chef Klaus Rüter (SPD) organisiert nämlich auch einen Freundeskreis.

5. Meiden Sie Hinterzimmer. Die sind nämlich schon voll. Dort sitzen die ganzen „Freunde“ mit den Ministerpräsidenten und versuchen verzweifelt, die nötigen Mehrheiten auszuwürfeln. Dabei stört sie schon NRW-Landeschef Wolfgang Clement (SPD). Früher kungelte er immer kräftig mit, jetzt wettert er plötzlich gegen die Amigo-Wirtschaft.

6. Sitzen Sie alle Turbulenzen aus. Und lassen Sie sich bloß nicht von den Ministerpräsidenten aus der Ruhe bringen. Als nationaler Sender ist das ZDF eine Art medialer Bundesrat. Und wie in der Länderkammer hält sich jeder Regierungschef für den wichtigsten. Dann zaubert ein Herr Clement plötzlich seine Spezialkandidaten aus dem Hut. Zum Beispiel den Endemol-Präsidenten Werner Schwaderlapp oder Christoph Lanz, den Fernsehchef der Deutschen Welle. Damit will Clement ganz bestimmte „Freunde“ im Fernsehrat ärgern. Der agile Lanz macht nämlich keinen Hehl aus seiner CDU-Mitgliedschaft. Und der Ex-ZDF-Manager Schwaderlapp gilt als Intimfeind von Noch-Intendant Dieter Stolte. Seien Sie froh, dass Clement nicht Sie vorgeschlagen hat!

7. Stimmenkauf ist eine gute Sache, aber machen Sie sich bloß nicht selbst die Hände schmutzig. Auch wenn Ihnen im Dezember fast die Luft wegblieb. Da teilte die Fernsehrätin Andrea Urban mit, ihr sei der Posten der ZDF-Direktorin für die Satellitenprogramme angeboten worden – für den Fall, dass sie wunschgemäß abstimmen sollte. Zeigen Sie keine Empörung! Ruhe ist die oberste Intendantenpflicht. Die Aufklärung überlassen Sie getrost dem Spiegel – der macht sie nämlich auch nicht.

8. Selbst wenn Sie ein Konzept für die verschnarchte Mainzer Anstalt haben sollten: Behalten Sie’s für sich. Sonst gelingt Ihnen eine halbe Bauchlandung wie dem Kandidaten Schächter. Der erzählte der Zeit im Interview, die Kandidaten sollten „keinen öffentlichen Wahlkampf“ führen, vor allem nicht „mit eigenen Schlagzeilen“. Um dann ungeniert ein zusätzliches zweites ZDF-Programm zu fordern – mit der Begründung, man müsse „sich aus der Isolation des Einkanalsenders befreien“. Wenn das kein Wahlkampf war!

9. Sie haben die Wahl dank dieser kleinen Handreichung gewonnen? Überlegen Sie sich gut, ob Sie das Amt antreten. Wollen Sie wirklich ins schlichte Eckbüro des ZDF-Towers einziehen? Obwohl selbst die nordrhein-westfälische Staatssekretärin Miriam Meckel sagt, sie hätte eine solche „Proporzkonfrontation“ nicht für möglich gehalten? Und das für ein vergleichsweise bescheidenes Gehalt? Als Ihr Konkurrent Günter Struve 1998 Intendant des Berliner SFB werden sollte, sprang er in letzter Minute einfach ab. Machen Sie es ihm nach!