Deutschen Lehrmeistern droht Tadel

Hans Eichel in der Falle: Brüssel will ihn wegen des hohen Staatsdefizits warnen, in Deutschland kriselt die Wirtschaft

BERLIN taz ■ Viel hat es Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) nicht gebracht, dem ausgetretenen Pfad seines Vorgängers Theo Waigel (CSU) zu folgen. Trotz all seiner Sparbemühungen hat Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden im vergangenen Jahr 53,8 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Das sind 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit hat Deutschland nicht nur das höchste Staatsdefizit innerhalb der Europäischen Union. Es ist zugleich auch deutlich in die Nähe des im Maastricht-Vertrag vereinbarten Höchstwertes von drei Prozent gerutscht. Aus EU-Kreisen verlautete, die EU-Kommission könnte das zum Anlass nehmen, erstmals eine so genannte Frühwarnung anzuregen.

Politisch wäre eine solche Maßnahme für den einstigen „Lehrmeister Deutschland“, der die Maastricht-Kriterien in der Person Waigels mit durchgesetzt hatte, blamabel. Sie müsste von der Kommission empfohlen und von den EU-Finanzministern beschlossen werden, ist aber weniger formal als eine Rüge, wie sie Irland 2001 bekam.

Ausdrücklich lobte die Kommission Eichel jedoch gleichzeitig, dass er trotz der schlechten Konjunktur beinahe unvermindert bei seinen Sparbemühungen geblieben sei. Allerdings fordern auch liberalere Ökonomen inzwischen das Gegenteil: Bevor die schwächelnde Wirtschaft vollends abgewürgt werde, müsse man auch eine höhere Staatsverschuldung in Kauf nehmen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr nur um 0,6 Prozent gewachsen und liegt damit im europäischen Vergleich ganz hinten, nur noch gefolgt von Finnland. BW

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