„Die Kitty ist nicht unschuldig“

Für Teenies und Hipster aus Mitte: Sie stellt nicht nur Kunst aus, sondern verkauft auch Produkte von Hello Kitty. Das gefällt ihr so, dass sie am liebsten mit einem Bauchladen durch die Clubs tingeln würde. Ein Interview mit der Galeristin Christiane Löhr

von SUSANNE MESSMER

Wann war Ihre erste Begegnung mit Hello Kitty?

Ich bin kein manischer Hello-Kitty-Fan, der sein ganzes Zuhause damit zugekleistert hat. Ich kenne Hello Kitty seit ich acht war. Monchichis waren mir wichtiger. Und dann habe ich Hello Kitty über lange Jahre hinweg vergessen.

Und wann haben Sie Hello Kitty wiederentdeckt?

Irgendwann, wie es oft mit Trends ist, wenn sie kurz bevorstehen, fand ich Hello Kitty auf einmal wieder interessant, bin auf Reisen nach New York und London darauf aufmerksam geworden. Vor etwa zweieinhalb Jahren habe ich mir in einem Spielwarengeschäft eine Jeanstasche von Hello Kitty gekauft. Meine Mutter hat mich alte Kuh ausgelacht und kurz danach kam schon die Idee, ob ich für meine damals noch provisorische maou-maou gallery auf der Frankfurter Allee ein paar Produkte für die anstehende Ausstellung „Katzenkunst“ bekomme.

Ich nahm Kontakt mit Sanrio auf, was nicht ganz einfach war, weil die gewohnt sind, mit Kaufhäusern zu verhandeln. Sie waren dann aber doch ganz kooperativ, ich habe zwar keine Produkte für eine Ausstellung bekommen, aber welche für den Verkauf. Die Leute sind sofort darauf angesprungen, da stand der eigentliche Boom noch bevor.

Seither stellen Sie Kunst aus, verkaufen aber auch Produkte von Hello Kitty. Das ist eine sehr seltsame Mischung.

Ich selbst profitiere natürlich von Hello Kitty. Ich mag es, nicht nur Galeristin zu sein, sondern auch Verkaufsgespräche mit Sechzehnjährigen zu führen. Manchmal fühle ich mich wie eine Avon-Beraterin. Ich habe mir sogar mal überlegt, ob ich mit einem Bauchladen durch die Clubs tingeln soll, das würde sicher auch Spaß machen. Das würde zum Produkt passen, schon allein, weil so viele DJ-Gattinen Hello Kitty lieben.

Wie gehen Ihre Künstler mit Hello Kitty damit um?

Meine Galerie bewegt sich zwischen Pop und High Art. Alle, die hier ausstellen, kennen und lieben die Kitty oder können sie zumindest gut ertragen. Es gibt auch Künstler, die direkt auf Hello Kitty regieren, Diana Dart z. B. Sie macht die Little-Luzifer-Puppen, kleine Skelettmädchen mit Szeneklamotten und expliziten Sprüchen. Sie hat mir zur Eröffnung eine kleine Skelett-Kitty geschenkt, „Hello Kitty. Goodbye Heart“.Ein anderer Künstler der Galerie, Norbert Beyer, hat in seinem Medium Ministeck eine pixelige Kitty produziert.

Hello Kitty erhält bei Ihnen also auch eine ganz andere Bedeutung?

Die Vorstellung, dass Hello Kitty mal was Böses tun könnte, ist natürlich sehr reizvoll. Etwa eine Kitty, die sich mal einen Joint dreht oder ordentlich ausspuckt. Das gefährlichste Produkt von Sanrio, das ich bisher im Laden hatte, war ein Zigarettenetui. Und selbst da kann es sein, dass ich das Produkt falsch interpretiert habe. Ich habe auch schon mal von einem Vibrator gehört, allerdings stammt der natürlich nicht von Sanrio.

Was sind das für Leute, die in Ihre Galerie kommen?

Hello Kitty baut Schwellenängste ab, die Galerien oft hervorrufen. Es trauen sich viele junge Leute rein, spezielles Hello-Kitty-Publikum von 15 bis 35, vorwiegend weiblich, aber es gibt auch Galeriebesucher, das eher etwas irritiert in den Kittyraum tritt. Eine große Gruppe von Leuten kann mit beidem etwas anfangen.

Und wie steht es mit männlichem Hello-Kitty-Publikum?

Viele Männer sind dankbar, wenn sie im Hauptraum bleiben können und nicht in den Hello-Kitty-Raum müssen. Aber wir haben auch ein Paar Produkte wie die Roboter-Aufnäher des Frankfurter Künstlers Paul Donda, die auch männliches Publikum ansprechen. Insgesamt habe ich bisher etwa zehn heterosexuelle Männer kennen gelernt, die Hello Kitty lieben, ohne dass eine Freundin im Spiel ist.

Warum, denken Sie, wurde Hello Kitty von so vielen emanzipierten Frauen wiederentdeckt? Von Riot Grrrls zum Beispiel , die Hello Kitty als Zeichen für Mädchenpower und Mädchensolidarität benutzt haben, aber auch als eine ihrer Strategien, männlichen Sehnsüchten den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Ich glaube, man muss Hello Kitty nicht ideologisch überhöhen. Hello Kitty ist schön, einfach ein hochwertiges Produkt. Aber es stimmt schon: Die Frauen, die Hello Kitty lieben, sind alles andere als brav. Courtney Love hat ja auch schon ganz früh die Lanze für Hello Kitty gebrochen. Die Kitty ist nicht unschuldig, sie ist subversiv, eine kleine Ziege, die nur so niedlich tut.

Wird der Hello-Kitty-Boom eines Tages in Deutschland genauso groß wie in Japan? Werden sich eines Tages die Leute vorm Burger King anfangen zu prügeln, wenn es eine Hello-Kitty-Aktion gibt, wie in Hongkong?

Ich fände das sehr lustig, glaube es aber nicht. Hier hat diese Kindlichkeitsnummer, dieser Schulmädchenkult aus Japan keine Chance, allenfalls als flüchtige Modeerscheinung. Ich habe mich in diesem Zusammenhang schon sehr oft geärgert. Die meisten Artikel versuchen, Hello Kitty ausschließlich mit Neoinfantilismus zu erklären. Das trifft die Sache überhaupt nicht. Eher ist es so, dass in Deutschland die Frauen ab meiner Generation alles andere als damenhaft sein wollen. Das heißt aber nicht, dass man infantil ist, wenn man ein Portemonnaie mit Hello Kitty in der Tasche trägt.

Also wird der Trend um Hello Kitty auch wieder zu Ende gehen?

Ja klar. Man kann jetzt schon die zweite Entwicklungsstufe des Hypes beobachten, denn in letzter Zeit häufen sich die Bestellanrufe aus weniger urbanen Regionen. Die Kitty wird jetzt also nicht mehr nur von Hipstern aus Mitte geschätzt. Übrigens leiden die „echten“ Fans, also die, für die es nie eine Zeit des Vergessens gab, sehr unter der Kitty-Mode. Und als nächstes kommen dann die Monchichis herausgekrochen … Aber normalerweise hält so ein Trend drei Jahre.

Galerie maou-maou, Di.–Fr. 14–19, Sa. 12–16 Uhr, Linienstr. 77, Mitte. Jeden ersten Samstag im Monat Teaparty mit Erdbeertee, 15–18 Uhr