Der Ernst des Regierens

Kaum ist der neue Senat mit Mühe im Amt, geht es auch schon ans Eingemachte: Die Spargespräche mit den Gewerkschaften warten. Ver.di-Chefin Stumpenhusen: Keine Verhandlungen über Tarifflucht

von RICHARD ROTHER

Kaum ist der neue rot-rote Senat mit Ach und Krach ins Amt gestolpert, beginnt auch schon der Ernst des Regierens, pardon: des Sparens. Bereits am Montag treffen sich die Senatsspitzen unter Führung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) mit den Gewerkschaften. Zwar hat die Runde offiziell nicht den Charakter eines Verhandlungskreises – tatsächlich dürfte es aber nur um eines gehen: wie die von Rot-Rot anvisierten Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst umgesetzt werden.

Wenig Freunde hat sich der neue Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bei seinen Verhandlungspartnern gemacht. Kaum im Amt, erklärte er, Berlin habe 70.000 Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Bundesländern zu viel. „Das soll er mir mal erklären“, erregte sich prompt Ver.di-Chefin Susanne Stumpenhusen. „Wir können gern alles miteinander vergleichen, aber nicht Äpfel mit Birnen.“

Überhaupt haben die Gewerkschaften wenig Lust, über den so genannten Sozialpakt mit Rot-Rot zu verhandeln. Ihres Erachtens kann es am Montag lediglich um einen Zeitplan für weitere Gespräche gehen. „Wir werden den Teufel tun und den bundesweit geltenden Tarifvertrag von der Hauptstadt aus aufrollen.“

Der neue Senat plant, rund eine halbe Milliarde Euro durch den Abbau von 15.000 Stellen zu sparen. Eine weitere halbe Milliarde soll unter anderem durch den Lohnverzicht der Mitarbeiter – etwa beim Weihnachtsgeld – zustande kommen. Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sind aber bundesweit tarifvertraglich geregelt – schon aus tarif- und machtpolitischen Gründen würde sich keine Gewerkschaft darauf einlassen, solche Verträge aufzuweichen. Stumpenhusen: „Darüber verhandeln wir nicht.“

Unnachgiebig geben sich die Gewerkschaften auch bei der Privatisierung von Kindertagesstätten. Sollte der neue Senat an den Plänen festhalten, droht ein neuer Kita-Streik. Die Gewerkschaften bereiten bereits Verhandlungen über „einen qualitätsorientierten Tarifvertrag für die staatlichen Kindertagesstätten“ vor. Damit wären sie streikberechtigt. Darüber hinaus fordern sie vom Senat, bis 2010 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.

Prinzipielle Einigkeit zwischen Finanzsenator Sarrazin und Gewerkschaften besteht nur in einem Punkt: vom Bund mehr Geld für Berlin zu fordern. Schließlich kann Berlin aufgrund seiner schwachen Wirtschaftskraft nur rund 40 Prozent seiner Ausgaben durch Steuereinnahmen decken. Während die Gewerkschaften aber den Bund sofort in die Pflicht nehmen wollen, möchte Sarrazin erst seine „Hausaufgaben“ machen. Er hält die öffentlichen Ausgaben grob geschätzt für um 20 Prozent zu hoch.

Die Berliner bleiben dennoch skeptisch. Nach einer Emnid-Umfrage glauben 70 Prozent der Hauptstädter nicht, dass es dem neuen Senat gelingen wird, die schlechte Finanzlage Berlins zu verbessern. Die Frage des Wochenendes: Ist das Pessimismus oder Realismus?