50 Jahre aktuell

■ Am Staatstheater Oldenburg fetzen sich die Jugend-Gangs in Leonhard Bernsteins „West Side Story“

Als Leonhard Bernstein 1957 seine „West Side Story“ schrieb, ging es ihm um das Pathos der Humanität, die Ekstase des Gefühls, auch um seine These, dass es gute und schlechte Musik, aber keinen Unterschied zwischen E- und U-Musik gebe. Bernsteins ganzes – freilich deswegen auch zutiefst eklektisches – kompositorisches Werk zwischen Songs und Opern, zwischen Sinfonien und nationalen Gassenhauern versucht diesen Beweis. Mit der Gattung Musical und vielleicht hier allein mit der West Side Story, jener berühmten Paraphrase auf Shakespeares „Romeo und Julia“, ist ihm ein genuines Meisterwerk gelungen.

Er konnte damals noch nicht ahnen, dass das Musical gelobtes und geschimpftes Zugpferd der Marketingstrategien der Länder wurde: Da man in der Politik in der Regel selten weiß, was Kultur ist, werden millionenschwere Musical-Ansiedlungen zur Säule des Städtetourismus, in der Regel auch mit dem Bau eines eigenen Hauses verbunden. „Cats“, „Phantom der Oper“ in Hamburg, „Les Misérables“ in Duisburg, „Starlight-Express“ in Bochum, „Miss Saigon“ in Stuttgart und viele andere waren die großen Erfolge der achtziger und frühen neunziger Jahre, der Trend läßt allerdings schon wieder nach. Angesichts der bremischen Musical-Pleite am Richtweg hat der erfolgreiche Regisseur von „La Cage aux folles“ und „Cabaret“ in Bremen, Hermann Baumann, gesagt, dass gutes Musical Musiktheater ist und eben ins Theater gehört.

Dies ist der aktuelle Kontext, in dem am Staatstheater Oldenburg die alte „West Side Story“ auf den Spielplan gebracht wurde: In drehbaren Gerüsten (Heike Scheele) spielt die Geschichte der Liebe von Maria und Tony, die zwei rivalisierenden Jugendbanden angehören. Die Jets und die Skarks (spanische Latinos) kämpfen bis aufs Messer gegeneinander. „Ohne Gang bis Du ein Nichts“ ist die Lebensmentalität der alleingelassenen Jugendlichen. Am Ende gibt es zwei Tote.

Die politische Aktualität gerade dieses Stückes ist angesichts der weltweiten Fluchtbewegungen schier atemberaubend und sie kam durchaus rüber, auch wenn die Inszenierung von Nico Rabenald nicht ganz befriedigte. Zu einförmig waren im ersten Teil die Gruppenszenen, energiegeladen – da war aber zu wenig Abwechslung.

Nicht überzeugend leider die Hauptdarsteller Tony (Mark Tevis) unbeholfen und ohne Ausstrahlung, eher wie in einer Aufnahmeprüfung auf eine Schauspielschule – und Maria (Jessica Eckhoff) mit großem Charme und viel Wärme, aber ganz einfach kein junges Mädchen. Irina Alex als „Anita“ hingegen bot in der Einheit von Tanzen, Singen und Sprechen eine große Leistung. Für die anderen gilt: Problematisch und nicht immer glaubwürdig bleibt die Darstellung Dreißigjähriger als Jugendliche. Das war jedoch recht gut gelöst: schnell, dynamisch und mit zum Teil hervorragend differenzierten Charakterisierungen aus der neuen oldenburgischen Tanztruppe „MS Schrittmacher“.

Ute Schalz-Laurenze

Die nächsten Aufführungen: 24.1., 27.1., 1., 16., 17. und 23.2. am Staatstheater Oldenburg