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Satanisten und andere Wesenheiten
: Ganz normal unterhalten, Blut getrunken

Wer nachts nicht schlafen kann, verfolgt im Fernsehen die Entwicklungen im Satanisten-Prozess am Landgericht Bochum weiter. Angeklagt sind das Ehepaar Daniel und Manuela R. An einem schönen Sommertag im Juli letzten Jahres haben die beiden jungen Satanisten aus dem Ruhrgebiet den 33-jährigen Arbeitskollegen Frank H. in ihre Wohnung gelockt. Dort habe man ein wenig zusammen im Wohnzimmer auf der Couch gesessen und gewartet, was passiert, sagt Manuela bei ihrer Vernehmung. Es sei klar gewesen, „dass wir nicht allein waren. Es waren mehrere Wesenheiten anwesend“. Irgendwann habe Daniel dann eine „furchtbar flackernde Aura“ um sich gehabt und habe mit dem Hammer zugeschlagen. Ein Messer, das auf der Fensterbank lag, hat angefangen zu leuchten, und Manuela hörte die Stimme Satans: „Setze einen Herzstich!“.

Das Verbrechen an Frank H. kam nicht wirklich überraschend. Bereits vor zweieinhalb Jahren hat Manuela R. ihre Seele dem Teufel verschrieben, so die Sat.1-Reportage. Und auch davor sei bei ihr schon einiges im Argen gelegen. Bereits als junges Mädchen habe Manuela eine Zeit lang rumgehangen. „Hauptsache Protest“. Sie hat in einem Londoner Gothic Club gearbeitet, „wo sich sowohl Vampire als auch Menschen aufgehalten haben“, erzählt Manuela dem Richter. Zurück in Deutschland habe man sich mit Vampiren auf Friedhöfen getroffen, „ganz normal unterhalten, Blut getrunken“. Das Leben in der Subkultur verlief in seinen eigenen Bahnen. Manuela hat viel auf Gräbern geschlafen, sich bisweilen auch eingraben lassen „um das Feeling auszutesten“. Ihr Ehemann Daniel R. erklärt dem Gericht, er habe schon als Kind geträumt, Menschen den Kopf abzubeißen. Danach zeigt die Sat.1-Kamera eine Gruppe Neonazis, die vor dem Gerichtssaal wartet. „Daniels alte Freunde“, sagt der Fernsehreporter mit kalter Stimme.

Es ist nicht einfach, sich ein objektives Bild von den Verhältnissen in Bochum zu verschaffen, wenn die Berichterstattung derart offensichtlich an der Dämonisierung der beiden Satanisten arbeitet. Dabei würde man gerne mehr erfahren. Schließlich üben im eigenen Umkreis frühere Gruftis inzwischen ganz seriöse Berufe wie Stadtplaner oder Architekt aus. Von einer Grufti-Gruppe in Reinickendorf weiß man wiederum, dass sie die Verbreitung rechtsextremer Verschwörungstheorien im Internet vorantreibt und ihre Zusammenkünfte in einer billigen Mietwohnung mit der Zucht jener eleganten japanischen Zierfische finanziert, die aus unerfindlichen Gründen zu horrenden Preisen gehandelt werden.

Der einstige Alltag der beiden Bochumer Angeklagten lässt sich aus den Sendebeiträgen der Medien jedoch nur erahnen. Der Anwalt habe erklärt, seine Mandantin lebe nur nachts, tagsüber würde sie schlafen. Bei ihrer Vernehmung wollte Manuela R. den Gerichtsaal abdunkeln lassen, der Vorsitzende Richter hat das allerdings abgelehnt. Ihr wurde jedoch erlaubt, während der Verhandlung eine schwarze Sonnenbrille zu tragen. Von ihrem Opfer sagt Manuela: „Wir mochten ihn gut leiden.“ Aber sie hätten nicht mehr viele Kontakte zu Menschen gehabt. „Es war nicht böse gemeint.“ Auch ihr Ehemann fühlt sich als Handlanger des Teufels selbstverständlich unschuldig: „Wenn ich mit dem Auto einen überfahre, dann wird auch nicht das Auto angeklagt. So sehe ich das.“ Mit dieser bemerkenswerten Rechtsauffassung endet die Sat.1-Reportage im Nachtprogramm. Es geht einem wie meist nach solchen Sendungen: Ein flaches Gefühl der Leere stellt sich ein. Man sitzt im dunklen Zimmer und denkt über Sätze nach, die keinen Schlaf bringen. Der Bildschirm zeigt Werbung für Telefonsex. Von einem nächtlichen Spaziergang durch die Wohnung wird man auch nicht müde. KIRSTEN KÜPPERS