Bullen auf der Flucht

Jagdszenen aus Bayern. Rinderstampede hält Schwabens Bauern in Atem

UNTERBECHINGEN taz ■ Seit dem 28. Dezember 2001 macht der Unterbechinger Bauer Georg Urban (siehe Foto) mit einer ganzen Reihe von Helfern Jagd auf vier kräftige Jungbullen aus Mecklenburg-Vorpommern. Die stämmigen Bio-Rinder waren zwecks Mast am Hof des Landwirts angeliefert worden. Vier der 60 jungen, zotteligen Tiere sind ausgebüxt. Seither spielen sich in Bayerisch-Schwaben Jagdszenen ab, die so manchem Western alle Ehre machen würden. Sogar ein improvisiertes Lasso haben die Bullenjäger erfolgreich eingesetzt.

„Es war eisig kalt“, beschreibt Bauer Georg Urban aus Unterbechingen die ersten Tage der Bullenverfolgung. Immer wieder, wenn sie gesichtet waren, verschwanden vor dem Einsatz des Betäubungsgewehres die Jungrinder sofort in den Wäldern um die kleine Ortschaft Unterbechingen herum. Prekär wurde es, als eines der Jungrinder in der nahen Stadt Gundelfingen auftauchte. „Die Leute waren ganz schön erschrocken, als zwei der vier Tiere durch die Wohnblocks liefen“, schildert Landwirt Urban die Jagdszenen. Kollege Xaver Maier kam mit dem Betäubungsgewehr und platzierte einen Volltreffer. Doch das robuste Jungrind blieb noch zehn Minuten wie angewurzelt stehen, bevor es in eine Art Tiefschlaf verfiel.

Noch heftiger wurde es ein paar Tage später, als nach vielen vergeblichen Versuchen das Anpirschen mit Hilfe eines Traktors an den zweiten Ausreißer gelang. Wieder traf der Schütze den Hals des Tieres, doch durch die extreme Kälte fror die Spitze der Betäubungsspritze ein. „Drei Kilometer weit ist der Bulle noch gerannt, bevor die Spritze aufgetaut ist und gewirkt hat“, wundert sich noch heute Bauer Urban. Richtig wild ging es dann zu bei der Jagd auf den Flitzer Nummer drei. Mit sage und schreibe 35 bis 40 Stundenkilometern hetzte das Tier auf eine Strecke von fünf Kilometern parallel zu einer Umgehungsstraße übers Feld. „Mein Schwager hat einen Strick dabeigehabt“, schildert der Landwirt das Schwabenrodeo. Er knüpfte ein Lasso und fing tatsächlich aus dem fahrenden Auto heraus den wilden Fluchtbullen ein. „Das war ein gelungener Wurf!“, lobt der Landwirt. Alle drei eingefangenen Jungbullen sind übrigens wohlauf und erfreuen sich im Laufstall bester Gesundheit.

Bleibt noch der erfolgreichste der vier Ausreißer, den die Frau des Landwirts wegen seiner Herkunft von einem Biobetrieb „Bioflitzer“ genannt hat. Der ist noch immer im Wald von Unterbechingen, obwohl sich sein Besitzer schon die eigenwilligsten Lockversuche hat einfallen lassen. Von anderen Bauern, die bereits Erfahrung mit entlaufenen Rindern haben, hat Georg Urban gehört, eine Lockkuh könnte zum Erfolg führen. Also wurde auf einem alten Viehanhänger eine Kuh in den Wald gefahren. Zunächst sah es auch ganz so aus, als würde das gut funktionieren, berichtet der Dillinger Polizeisprecher Josef Bauer. „Der entlaufene Jungbulle kam tatsächlich zur Kuh, aber bis die Einfangkräfte da waren, war der schon wieder verschwunden. Scheinbar war die Freiheitsliebe des Bullen größer als die Anziehungskraft der Kuh.“

Sollte der flüchtige Sechs-Zentner-Bulle in den nächsten Tagen erneut eine Straße überqueren, allerdings nicht betäubt und gefangen werden können, dann droht ihm der Abschuss. Denn eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern könne laut Polizei nicht in Kauf genommen werden. KLAUS WITTMANN