Massaker im Spielzeugland

■ Junges Theater beginnt das Festival „5x Macbeth“ mit urkomischem Puppentheater. Specialguests: Mister und Missis Smile als Titelhelden

„Macbeth“. Kürzestes und geschlossenstes von Shakespeares Dramen und Qual ganzer Generationen von Oberstufenschülern im Englisch-Leistungskurs. Ein alptraumhaftes Inferno von ungeheurer bildnerischer Dichte.

Das genialische Spiel um Macht, Gier bis hin zum Wahnsinn und die sinnliche Erotik des Bösen ist Ausgangspunkt für die aktuelle Veranstaltungsreihe „5x Macbeth“ vom Jungen Theater, die verschiedenste szenische Umsetzungen des Dramenstoffes aus Sicht der freien Szene präsentiert. „Macbeth“ heute wird getanzt, als Karaoke gesungen oder – wie im vorgestrigen Auftakt – zum skurrilen Plastikpuppen-Spiel.

Für das „Tiny Ninja Theater“ aus New York ist der machtgeile Macbeth ein vier Zentimeter kleiner Plastikmann, genannt Mr. Smile. Sein Ausspruch „All is but toys“, „Alles ist nichts als Tand“, er wird ernst genommen, wenn über Hundert kleine Spielzeugfiguren, scheinbar frisch aus dem Überraschungsei geschlüpft, die Tragödie im Miniaturformat darstellen.

Getreu dem Motto „Keine kleinen Rollen, nur kleine Schauspieler“ wird das Drama an diesem Punkt zum zynischen und irrwitzigen Off-Theater-Streich. Vorbei die Zeiten von rumzickenden und Gage verschlingenden Schauspielern. Die künstlichen Akteure, sie sind sich fast für nichts zu schade.

Regisseur und Spieler Dov Weinstein ist um die 35 Jahre alt. Doch wenn er in Aktion tritt, wirkt er wie ein manisch ins Playmobil-Spiel vertiefter Siebenjähriger: Die winzigen Protagonisten aus Plastik werden über die Bühne geschleift, in einer chaotischen Schlachten-Simulation werden schließlich die „Engländer“ gegen die „Schotten“ aufgemischt – Opfer türmen sich zu einem bunten Plastikhaufen, um dann nach kurzem Prozess in der Spielekiste zu landen. Ein Abgang der unfeinen Art.

Dabei sieht sich der Theatermacher eigentlich als Retter der entehrten Figürchen, verhilft ihnen zu Ruhm im Scheinwerferlicht fernab vom schnöden Dasein in Setzkästen: "Ich sah diese winzigen Ninja-Figuren in Kaugummi-Automaten über die ganze Stadt verteilt, aber niemand nutzte sie, um klassisches Theater zu spielen. Etwas musste getan werden.“

Er tat es. Und wie. „Macbeth“ im Schnelldurchlauf. Rasant und irrwitzig geht es zu. Eine Aktion jagt die nächste in der 40-minütigen Puppen-Show. Weinstein rattert den klassischen Text in feinstem „Old British“ derart schnell herunter, das man mit dem Lachen bisweilen gar nicht hinterherkommt. Die verschiedenen Rollen und Effekte intoniert er auf's Trefflichste, manchmal erinnert das an inbrünstige Kinderstimmen wenn sie beim Spielen Polizeisirenen imitieren.

Ausgerüstet mit einem Spielzeug-Fernglas lässt sich das Gewusel auf dem etwa ein mal 0,5 Meter kleinen Spielplatz, einem schwarzen Tisch, en detail verfolgen. Der vielbeschäftigte Puppenspieler sitzt dahinter.

Am Ende rollt der Plastikkopf von Macbeth und wird mit einer Taschenlampe blutrot angeleuchtet. Mini-Macduff hat ihn erschlagen und somit die Ordnung in der Spielzeugwelt wiederhegerstellt. Auch wenn es bisweilen sehr brutal zugeht: Garantiert ist kein Akteur zu Schaden gekommen – abgesehen vielleicht von ein paar Kratzern im bunten Lack.

Roland Rödermund

„Noch Dienstag und Mittwoch, jeweils um 20 Uhr und 21.30 Uhr im Jungen Theater im Güterbahnhof