herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ fordert Zuschauerhonorare

Schafsnasen im Stadion

Einmal mehr debattierte in der letzten Woche die deutsche Fußballgemeinde, ob Profifußballer möglicherweise zu viel Geld verdienen. Angezettelt wurde die Diskussion ausgerechnet von einem Fußballer. Werder-Stürmer Marco Bode hatte in einer, obschon ziemlich scheinheiligen und ranschmeißerischen Selbstbezichtigung erklärt, dass er die Gehälter im Fußball – gemessen etwa an den Löhnen, die Krankenschwestern gezahlt werden – für „absurd“ halte. So weit, so doof einerseits, so clever andererseits aber auch eingefädelt vom Bremer Nationalspieler, sich während der Winterpause ins Krankenschwestern-Gespräch und in die Schlagzeilen zu bringen.

Allen voran in die der Bild-Zeitung, die Bodes Vorlage denn auch sehr zielstrebig in eine „Die große Gehalts-Diskussion“ genannte Kampagne verwandelte. Neben dem üblichen Leser-Gezetere, das Bild unter der Überschrift „Die Wut der Fans auf die Millionen-Gagen“ üppig dokumentierte, ließ man da natürlich auch einige Krankenschwestern bejammern, dass sie im Gegensatz zu Bode (Jahresgehalt ca. 2 Millionen Euro) tatsächlich arg wenig verdienen. So zum Beispiel die Schwester Nina Knoll (28) aus Bremen, die allerdings zugab, dass sie sich von den monatlich 900 Euro brutto, die sie als Halbtagskraft auf einer Entbindungsstation verdient, eine Werder-Dauerkarte leistet und somit die „Wahnsinns-Gehälter“ der Fußballer auch noch mitfinanziert.

Die Bild am Sonntag beteiligte sich ebenfalls an der von Bild angeschobenen „Scheiß-Millionäre-Kampagne“. „Die Fans haben vom Gehälter-Irrsinn die Nase voll“, ließ sich dort am Sonntag der Kommentator Pastors vernehmen. Sein Argument, warum „die Klubs nicht mehr so viel Geld für die Stars rausschmeißen“ sollten, lautete: „4.847.877 Fans pilgerten zu den insgesamt 153 Spielen der bisherigen Spielzeit in die Stadien. Satte 14 Prozent Zuwachs im Vergleich zur Vorsaison, die Liga boomt.“ Man muss wohl gleichfalls BamS-Charge sein, um die Folgerichtigkeit einer solchen Beweiskette nachvollziehen zu können. Pastors sah jedenfalls kein Problem darin, seine Forderung nach einer Gehalts-Obergrenze für Profifußballer mit dem Reichtum der Bundesliga zu begründen.

Schon seltsam. Ausgerechnet diese beiden Zeitungen, sonst eher der möglichst unlimitierten Expansion des freien Unternehmertums und dessen möglichst zügelloser Profitmaximierung zugetan, machen sich plötzlich zum Fürsprecher von Reglement, Statut und Beschneidung in der freien Fußballwirtschaft. Was für eine verkehrte Welt ist das, in der, wie in Bild geschehen, Krankenschwestern schimpfen dürfen: „Was Fußballprofis im Vergleich zu uns verdienen, ist eine Unverschämtheit“, oder ein Fußballfan so zitiert wird: „Was heißt, Fußballer verdienen zu viel? Die Gehälter sind der Gipfel der Perversion.“

Unverschämtheit? Perversion? Nennt man das jetzt in den beiden Springer-Zeitungen immer so, wenn zwischen unabhängigen Geschäftspartnern Verträge ausgehandelt und eingehalten werden? Statt den von Missgunst zerfressenen Fußballfan dergestalt aufzuhetzen, sollte man ihm vielleicht einmal beibiegen, dass er doch der einzig Blöde, weil immer noch der Einzige ist, der nichts verdient im boomenden Bundesligazirkus. Wöchentlich behängt er sich mit Schal und Kutte und trottet schafsnasig ins nächste Fußballstadion, um dort die Stimmungskanone zu geben oder als Schwenkfutter für die angeschlossenen TV-Sender die Ränge zu füllen, ohne dass er je auf die Idee gekommen wäre, eine angemessene Gage zu kassieren. Im Gegenteil, er zahlt sogar noch dafür. Keine Frage, Zuschauerhonorare müssen her. Sagen wir, 50 Euro pro Spiel – da würde selbst ich wieder ins Stadion gehen. Und vor allem: Das Thema „absurde Spielergehälter“ wäre dann sehr schnell und ganz sicher keins mehr.

Fotohinweis:Fritz Tietz, 43, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.