Kein Blankoscheck für die Industrie

Wer zahlt für Terroranschläge? Versicherungen und Regierung ringen um Zahlungen für „Terrorpool“

BERLIN taz ■ Eine allgemeine unbeschränkte Haftung für die Folgen von Terroranschlägen ist nach Meinung von Versicherungsexperten nicht Aufgabe des Staates. Das ist der Tenor einer Aufsatzsammlung des Schnelldiensts des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. In der Publikation beurteilen mehrere Professoren die Auswirkungen der Terroranschläge des 11. September 2001 und ihre Folgen auf die Versicherungswirtschaft – und stärken der Bundesregierung den Rücken. Denn die Regierung streitet gegenwärtig mit den Versicherungskonzernen wie der Allianz darüber, welche Schäden die Privaten in Zukunft noch versichern wollen und welchen Beitrag der Staat leisten soll.

Schäden in Höhe von etwa 40 Milliarden Dollar hätten die Flugzeugattacken von New York und Washington verursacht, schätzt Michael Wolgast vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das World Trade Center war aber nur mit 2,5 Milliarden versichert. Würde man die neuerdings mögliche Schadensumme mit entsprechenden Prämien abdecken, könne diese niemand bezahlen, argumentieren die Versicherungsunternehmen. Wolgasts Folgerung: „Gewisse Staatsgarantien zur Absicherung der privatwirtschaftlich nicht versicherbaren terroristischen Risiken erscheinen gesamtwirtschaftlich sinnvoll und politisch angemessen.“ Die Verhandlungen über diese Fragen zwischen Bundesregierung und den Versicherungsunternehmen wurden unlängst abgebrochen, sollen jetzt aber wieder aufgenommen werden.

Eine Warnung an Bundesfinanzminister Hans Eichel spricht Professor Ray Rees aus, Versicherungswissenschaftler an der Universität München. Kurzfristig sei es in Ordnung, wenn der Staat einspringe, wie nach den Anschlägen auch geschehen. Nach einem derartigen Schock müssten die Versicherer und ihre Kunden sich erst einmal auf neue Konditionen einigen. Wenn dies aber geschehen sei, solle sich die öffentliche Hand wieder zurückziehen, so Rees. Sonst komme es zu falschen wirtschaftlichen Signalen an die Versicherungsnehmer. Wenn der Staat Versicherungsprämien subventioniere, würden etwa Fluggesellschaften einen geringeren Anreiz verspüren, in die Sicherheit des Flugverkehrs zu investieren.

Die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem GDV über den so genannten „Terrorpool“ gestalten sich wegen dies Streits um die Zahlungen äußerst schwierig. Während die privaten Versicherungsunternehmen eine Basisdeckung von zwei Milliarden Euro bereitstellen sollen, will der Bund nicht für jegliche, darüber hinaus gehende Schäden haften. Wie die Frage der Obergrenze ist bislang auch nicht geklärt, ob die privaten Versicherer ihre zwei Milliarden bei jedem Terroranschlag zur Verfügung stellen oder nur einmal innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Aber selbst die zwei Milliarden sind noch nicht in trockenen Tüchern. Die Verhandlungen waren unlängst auch deshalb geplatzt, weil die Unternehmen erst Zusagen über 1,4 Milliarden Euro Deckung vorweisen konnten.

Pool-Lösungen unter Einschluss von Privaten und Staat existieren bereits in Großbritannien, Frankreich und Spanien. In Deutschland hat die Bundesregierung bereits für den Flugverkehr Garantien übernommen, weil die Passagierflugzeuge wegen der stark gestiegenen Prämien sonst nicht mehr hätten starten können. HANNES KOCH