Rexrodt geht, Noske kommt

Die FDP-Fraktion wählt heute einen neuen Vorsitzenden: Der sozialliberale Martin Matz ist nicht mehr gefragt. Dafür wollen die Liberalen Gustav Noske, dem „Bluthund von 1919“, ein Denkmal errichten

von ROBIN ALEXANDER

Heute legt Günter Rexrodt sein Mandat im Abgeordnetenhaus nieder. Er bleibt Landesvorsitzender, wird sich in Zukunft aber auf bundespolitische Aktivitäten konzentrieren. Rexrodts Nachfolger soll Martin Lindner werden. Der 37-jährige Anwalt will die Berliner FDP wirtschaftsliberal positionieren.

Die Wahl zum Nachfolger Rexrodts ins Amt des Fraktionschefs findet erst heute (Mittwoch) Abend statt. Es wird jedoch keinen anderen Kandidaten als Martin Linder geben. Spekulationen ob auch der als sozialliberal eingeschätzte Martin Matz kandidieren werde, beendete dieser gestern: „Ich habe persönlich kein Interesse diese Fraktion zu führen.“ Stattdessen will sich Matz auf die Bundespolitik und seine Arbeit im Hauptausschuss konzentrieren. Matz’ Verzicht auf eine Kandidatur ist jüngster Ausdruck der Isolation des ehemaligen Hoffnungsträgers in der neuen Fraktion der FDP. Matz, der im Präsidum der Bundes-FDP sitzt und im Bundestagswahlkampf die Sozialpolitik der Partei darstellen soll, findet bei den fünzehn Liberalen im Abgeordnetenhaus keinen Rückhalt. Selbst sein Sitz im FDP-Fraktionsvorstand drohte ihm heute Abend verloren zu gehen. Seine Feinde suchten Gegenkandidaten und planten gar eine Verkleinerung des bislang vierköpfigen Gremiums auf zwei Abgeordnete, um Matz herauszudrängen. Der zog von sich aus zurück und kandidiert nicht wieder.

Matz – der als Protegé von Bundesparteichef Guido Westerwelle gilt – gerät auch im Landesverband immer mehr ins Hintertreffen. Für den Bundestag wollen auf Landesebene maßgebliche Liberale neben Rexrodt den 41-jährigen Unternehmer Markus Löhning nominieren – und nicht Martin Matz. In der FDP-Fraktion heißt es über Matz „Der hat die Partei doch schon einmal an die Wand gefahren.“ Matz war bis 1998 Landesvorsitzender der Berliner FDP. Damals präsentierte sich die Partei zerstritten und war nicht im Abgeordnetenhaus vertreten. Für die Berliner FDP saß Rexrodt im Bundestag. Seit dieser Zeit sind Rexrodt und Matz in herzlicher Abneigung verbunden.

Der Mehrheit der Abgeordneten ist Matz zudem nicht geheuer, da er für eine eher linksliberale Positionierung der FDP steht. In der Fraktion überwiegen jedoch die Wirtschaftsliberalen. Drei Abgeordnete gelten sogar als „Nationalliberale“ mit rechtslastigen Vorstellungen.

Der somit einzige verbliebene Kandidat bei der heutigen Abstimmung, Linder, ist erst seit Herbst 1998 in der FDP. Der verheiratete Vater zweier Söhne stammt aus München. Er ist als Rechtsanwalt der einzige Jurist in der gesamten FDP-Fraktion. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus trat er im Bezirk Steglitz-Zehlendorf an. Die Frage, wie die FDP-Fraktion mit dem neuen von SPD und PDS gebildeten Senat umgehen will, beantwortete Lindner gestern deutlich: „Die FDP wird parlamentarisch und außerparlamentarisch alles unternehmen, damit die rot-rote Regierung kein Dauerzustand wird.“ Härte gegenüber SPD und PDS will Lindner mit Flexibilität im Umgang mit CDU und Grünen verbinden. Sogar eine „Scharnierfunktion“ zwischen den beiden anderen Oppositionparteien kann der FDP-Fraktionschef in spe sich vorstellen.

Bei der gestrigen Fraktionssitzung beschlossen die Liberalen, eine „Große Anfrage“ zum Komplex „PDS und Verfassungsschutz“ ins Abgeordnetenhaus einzubringen. Außerdem sollen die neuen Senatoren und Staatssekretäre vor dem Parlament eingehender als bisher zur eigenen Vita Stellung nehmen. Dieser Antrag zielt darauf, die angeblichen Stasisverstrickung von Gregor Gysi noch einmal öffentlich zu erörtern.

Einen Vorgeschmack auf das Niveau der freidemokratischen Auseinandersetzung mit dem rot-roten Senat liefert ein Antrag, der auf der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses eingebracht werden soll. In dem Antrag, der der taz vorliegt, wird der Senat aufgefordert „ein Denkmal für den früheren Reichsminister Gustav Noske an geeigneter Stelle zu errichten.“ Der Sozialdemokrat Noske ließ im Januar 1919 den Spartakus-Aufstand in Berlin von rechtsradikalen Freikorps niederschlagen und ging mit der Äußerung „Einer muss den Bluthund machen“ in die Geschichte ein.

Der FDP-Antrag geht auf die „nationalliberalen“ Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski und Axel Hahn zurück. Ihr Entwurf wurde in der Fraktionssitzung nach Angaben von Martin Lindner „redaktionell bearbeitet“, dann aber „einstimmig verabschiedet“. Man wolle „die SPD zwingen, sich zu bekennen: für einen ihrer Gründerväter oder für eine Feindin der parlamentarischen Demokratie“, so Lindner.

Die beiden Senatsparteien SPD und PDS beabsichtigen in ihrem Koalitionsvertrag ein Denkmal für Rosa Luxemburg zu errichten. Die Sozialistin wurde am 15. Januar 1919 von Freikorpssoldaten ermordet.