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: NFL: St. Louis dank Abwehr auf Super-Bowl-Kurs

Panzerknacker mit Ambitionen

Auf den ersten Blick scheint alles klar: In der National Football League (NFL) hat die Stunde der Offensive geschlagen. Die Baltimore Ravens, die im letzten Jahr mit beinharter Abwehrarbeit Champion wurden, sind ausgeschieden, absolute Favoriten für den Gewinn der Super Bowl am 3. Februar in New Orleans sind die St. Louis Rams, gern auch als „Greatest Show on Turf“ apostrophiert. Die Rams haben den besten Angriff aller NFL-Teams und die beiden besten Spieler. „Most Valuable Player“ (MVP) der NFL wurde Quarterback Kurt Warner vor Running Back Marshall Faulk.

Vor dem Match der Rams am Sonntag gegen die Philadelphia Eagles um den Einzug in die Super Bowl hat das Bild vom reinen Offensivteam jedoch einen Knick bekommen. Tief beleidigt durch Kommentare, die vor dem Match am letzten Sonntag gegen die Green Bay Packers einen munteren „Shootout“ und Ergebnisse wie 85:80 prophezeit hatten, bot die Defense von St. Louis gegen den hoch gelobten Packers-Quarterback Brett Favre eine Leistung, die Rams-Coach Mike Martz „die beste Vorstellung einer Abwehr, die ich je gesehen habe“ nannte. Rekordträchtige sechs Pässe von Favre wurden abgefangen, „es hätten noch mehr sein können“, gab der Quarterback zu. Drei der Interceptions wurden direkt in Punkte verwandelt, womit Favre mehr Touchdown-Pässe für die Rams geliefert hatte, als deren eigener Spielmacher Kurt Warner. Die Offense der Rams blieb nämlich, was bei dem 45:17-Sieg etwas unterging, recht blass und bot mit nur 292 erspielten Yards die schwächste Leistung der gesamten Saison.

Die Genugtuung der bislang vernachlässigten Defensivkünstler über ihren Coup war gewaltig. „Wir hatten nicht gerade Schaum vor dem Mund“, sagte Lineman Chidi Ahanotu, „aber wir wollten die Anerkennung, die uns zusteht.“ Immerhin hatten die Rams in diesem Jahr die drittbeste Defense der Liga, nachdem sie eine Saison zuvor noch an 23. Stelle gelegen hatten und prompt in der ersten Playoff-Runde an New Orleans gescheitert waren. Mit acht Neuzugängen hat der ebenfalls neue Defense-Koordinator Lovie Smith eine effektive Abwehr aufgebaut, dessen Kernstück Cornerback Aeneas Williams ist, vorher zehn Jahre bei den erfolglosen Arizona Cardinals. „Er ist einer der Besten, gegen die ich gespielt habe“, sagte Brett Favre, nachdem allein Williams drei Interceptions und zwei Touchdowns gegen ihn gelungen waren. Mit Cornerback-Legende Deion Sanders wollte er ihn allerdings nicht vergleichen. „Immerhin werfe ich dahin, wo Aeneas Williams ist. Zu Deion Sanders würde ich möglichst nicht werfen.“ Das gewohnt riskante Spiel von Favre kam den Rams ebenso entgegen wie das Augenmerk, das ihrer gefürchteten Offense gilt. „Wir können in ein Haus gehen, einbrechen, alles Zeug einsammeln und damit verschwinden, ohne dass überhaupt jemand merkt, dass wir da waren“, beschreibt Aeneas Williams die guten Seiten des Schattendaseins.

Mit der Anonymität dürfte es für die Panzerknackerbande aus St. Louis jetzt vorbei sein, und den Spielern ist bewusst, dass bis zum ersehnten Triumph noch eine Menge Arbeit wartet. Ihr nächster Gast Philadelphia hat diese Saison immerhin acht seiner neun Auswärtsspiele gewonnen, und auch die Pittsburgh Steelers, von denen erwartet wird, dass sie sich am Samstag gegen New England durchsetzen, sind nicht zu unterschätzen. „Du bist nur so gut“, weiß Linebacker London Fletcher, „wie dein letztes Spiel.“ MATTI LIESKE