Gefesselt, geknebelt, entwürdigt

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz rügt die Vereinigten Staaten für Verstöße gegen die Genfer Konvention in Guantanamo auf Kuba

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Nun erhebt auch das Rote Kreuz seine Stimme. Zwölf Tage nach Ankunft der ersten afghanischen Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba rügt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erstmals die Behandlung der inzwischen 158 inhaftierten Männer. Die US-Regierung wird zur Einhaltung der völkerrechtlich verbindlichen Genfer Konventionen gemahnt.

Die Kritik und Mahnung erfolgen allerdings lediglich in einer internen Note an die Bush-Administration, die der taz vorliegt. Öffentlich beschränkt sich das IKRK darauf, die Verbreitung von Fotos der Gefangenen durch die US-Behörden als Verstoß gegen die Genfer Konventionen (siehe Kasten) zu rügen. Verfasst ist die interne Note von dem vierköpfigen Team unter Leitung des IKRK-Delegierten Urs Bögli, das seit Freitag in Gunatanamo ist. Unter anderem kritisiert das Team die Unterbringung der Häftlinge in lediglich 1,80 mal 2,40 Meter großen Käfigen sowie dass die Inhaftierten in diesen jederzeit einsehbaren Käfigen keine Privatsphäre haben.

Das IKRK ermahnt die US-Regierung in der Note, bei der Behandlung der Inhaftierten die „Mindeststandards“ der von Washington ratifizierten vier Genfer Konventionen von 1949 sowie ihrer beiden Zusatzprotokolle von 1977 einzuhalten. Darauf hätten ohne Ausnahme alle Personen Anspruch, die im Verlauf eines Konfliktes in die Gefangenschaft eines Vertragsstaates der Konventionen geraten – und zwar unabhängig von ihrem sonstigen rechtlichen Status.

Das IKRK-Team weist die Kategorisierung der Inhaftierten durch US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als „illegale Kämpfer“ zurück und empfiehlt der US-Regierung, alle Inhaftierten – sowohl die Taliban-Kämpfer wie die Al-Qaida-Mitglieder –offiziell als „Kriegsgefangene“ nach den Bestimmungen der Genfer Konvention einzustufen und entsprechend zu behandeln.

Laut dem ersten Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen kann sich zunächst jede im Verlauf eines Konfliktes inhaftierte Person auf den Status als Kriegsgefangener berufen und muss demgemäß behandelt werden. Wird dieser Status von dem Staat, in dessen Gewahrsam sich der Inhaftierte befindet, angezweifelt, muss ein „zuständiges Gericht“ über den Fall entscheiden. Welche Gerichte im vorliegenden Fall „zuständig“ wären – ein US-amerikanisches, ein kubanisches, oder ein Gericht in einem Drittland –, ist zwar nicht genau festgelegt. Doch die Bush-Administration muss den Inhaftierten ohne weiteren Verzug das Recht und die Möglichkeit zur Anrufung eines „zuständigen Gerichts“ einräumen.

Der von den USA ebenfalls ratifizierte „Internationale Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte“ von 1966 verpflichtet jeden Vertragsstaat zur Gewährung dieser verfahrens- und menschenrechtlichen Mindesstandards gegenüber „allen Personen, die sich auf seinem Gebiet befinden und seiner Herrschaftsgewalt unterstehen“. Herrschaftsgewalt üben die USA auf Guantanamo ohne Frage aus. IKRK-Sprecher Darcy Christen kritisierte in Genf, mit der Veröffentlichung von Fotos knieender und gefesselter Gefangener hätten die USA gegen die Bestimmung der Genfer Konventionen verstoßen, die auch den „Schutz von Gefangenen vor öffentlicher Neugierde“ verlangen.