„gotteskrieger“
: Unwert des Jahres

Diesen Satz könnte man für alle Ewigkeit in Marmor meißeln: „Kein Glaube an einen Gott, gleich welcher Religion, kann einen Krieg oder gar Terroranschläge rechtfertigen.“ Das ist die Begründung der Jury, das Wort „Gotteskrieger“ zum „Unwort des Jahres 2001“ zu wählen. Der Begriff sei weder als Selbstbezichtigung der Al-Qaida-Terroristen noch als Fremdbezeichnung durch die Medien „hinzunehmen“. Das klingt gut, ist richtig und zeigt: Der Graben zwischen einem halbwegs aufgeklärten Westen und religiösen Fanatikern ist unüberbrückbar.

Kommentar von BERNHARD PÖTTER

Denn auch wenn es uns nicht gefällt: Es gibt eben Menschen, die mit ihrem Glauben an einen Gott Krieg und Terror betreiben oder rechtfertigen. Das Schema der religiösen und sozialen Unduldsamkeit hat sich über die Jahrhunderte erhalten. Krieg, Folter, Vertreibung und Hass im Namen Gottes sind keine Erfindung des Islam oder des Christentums, sondern eine Konstante in der Geschichte der menschlichen Ideologien. Offenbar herrscht Einigkeit darüber, dass die Religion kein Kriegsgrund sein darf – wirtschaftliche und politische Gründe werden aber ohne Widerspruch akzeptiert.

Der Unterschied liegt im Versprechen einer besseren Welt, das die Religionen anbieten. Es ist eben unmöglich, zu Weihnachten den Frieden auf Erden zu besingen und gleichzeitig Krieg zu führen. Und trotzdem tun wir es. Denn auch wenn der Krieg in Afghanistan kein „Kreuzzug“ ist – das Unwort Nummer 2, weil US-Präsident Bush damit militärische Vergeltung meinte –, ist er doch die Auseinandersetzung zwischen säkularer Politik und religiös aufgeladenem Handeln.

Anders als die Juroren meinen, kann Religion sehr wohl einen Krieg rechtfertigen. Nur haben wir uns entschlossen, das zu bekämpfen. Der Westen verteidigt auch die Freiheit, zu glauben und nicht zu glauben, eine Freiheit, die sich die Gesellschaften in Jahrhunderten von Kirche und Staat ertrotzt haben. Zwischen dieser Tradition der individuellen Freiheit und dem Anspruch der Fundamentalisten, zu definieren und zu exekutieren, wer als Ungläubiger sein Recht auf eine Existenz verwirkt hat, gibt es keinen Dialog. Die „Gotteskrieger“ stehen für eine Verbohrtheit, in der der Westen seine eigene Geschichte wiedererkennt. Die aggressive Unduldsamkeit dem Anderen und dem Fremden gegenüber verschwindet nicht, indem wir das Wort zum Unwort erklären. Aber es macht deutlich, wo aus dem Wert „Gott“ ein Unwert wird.