Ein Tatort-Autor schlägt 13

■ Hochprozentiges und hochprozentige Kunst bei „Arte e grappa“: Der Münchner Fred Breinersdorfer zeigt zum ersten Mal seine prallbunten Bilder in der Öffentlichkeit

Die 13 ist eine Glückszahl. Das ist so ein stillschweigendes Einverständnis zwischen Chrischan Jürgens und Fred Breinersdorfer. Jürgens fährt meistens Autos mit der 13 auf dem Nummernschild, Breinersdorfer schrieb an einem dreizehnten eine Mathearbeit, die seine Versetzung rettete. Vielleicht nicht deshalb, aber trotzdem sollten es auch 13 Bilder sein, die Drehbuchautor Breinersdorfer in der Galerie von Jürgens ausstellen wollte.

13 ist eine Glückszahl - allein schon aus Protest. So wie Jürgens aus Protest gegen langweilige Vernissagen eine eigene Art gefunden hat, Kunst vorzustellen.

Nicht aus Protest, sondern aus blankem Egoismus malt Fred Breinersdorfer. Eigentlich schreibt der promovierte Anwalt Krimis, Drehbücher für den Tatort, Theaterstücke, Hörspiele, Erzählungen und Skripte für Comics. „Aber ein Drehbuch ist immer ein Gesamtkunstwerk“, erklärt der Autor, „entstanden in zahllosen Diskussionen mit Regisseuren und Filmleuten, tausendmal zerpflückt und wieder zusammengesetzt.“ Beim Malen redet ihm keiner rein, von der Farbe bis zum Rahmen ist alles seins. „Das ist blanker Egoismus und wunderschön.“

Neben seiner Arbeit als Autor greift Breinersdorfer immer wieder zum Pinsel. Bisher waren seine großformatigen Werke nur virtuell zu sehen, auf seiner Homepage www.breinersdorfer.com.

Die erste „richtige“ Ausstellung führte den 55-Jährigen nicht in eine Galerie der Stadt München, in der er lebt, sondern nach Bremen. Denn er kennt Jürgen Alberts und Jürgen Alberts kennt Chrischan Jürgens. So war der Weg von München nach Bremen kurz. Ebenso kurz wie der Weg vom Schnaps zur Kunst.

Jürgens mag Schnaps – und er mag Kunst. Es war dann also quasi eine echte Schnapsidee – draußen bei einer steifen Brise beim Segeln geboren –, dass es jetzt Kunst und Hochprozentiges in seinem Laden an der Humboldtstraße 198 gibt, „Arte e grappa“ eben.

Viel mehr als 13 Schnäpse in seiner Galerie tragen kleine runde Preisschilder um den Hals. Und, genau nachgezählt, hängen auch mehr als die versprochenen 13 Bilder an den Wänden. Eines davon hat Breinersdorfer Jürgens geschenkt: „Das war längst fällig“, sagt der Künstler, der fast schon ein Freund ist. Es ist die Nummer elf, „Falling Dancer“, das ausdrucksstärkste Bild: Ein stilisierter Mensch stürzt auf die Siluette einer Großstadt, die empfindlichen Körperteile knallrot aus dem Dunkel des Hintergrunds hervorgehoben, werden die Spitzen der Dächer zuerst erreichen. Sein Mund ist weit aufgerissen zu einem lautlosen Schrei.

Wie Jürgens Apfelbrand geschmeckt hat, weiß Breinersdorfer nicht. Dabei prangt eines seiner Werke auf dem Etikett. Jürgens hat wie bei jeder seiner Ausstellungen eine Schnapssorte ausgesucht, die zum Künstler passt. Aber Breinersdorfer schmeckte weder den Apfel noch den Kümmel auf seiner Zunge. Er brauchte einen klaren Kopf, denn direkt nach der Vernissage trat er in der Bremer Talkshow 3 nach 9 auf. André Rieu hatte abgesagt, Breinersdorfer sagte kurzfristig zu. Dass er dort zum Opfer gemacht werden sollte, wie er es heute im Rückblick empfindet, wußte er da noch nicht. Es ärgert ihn heute noch. Mit Kritik kann er umgehen, sagt er, nur Unhöflichkeit stößt ihm auf.

Andere Dinge, die ihm aufstossen, hält er in seinen Bildern fest. Zum Beispiel die Sache mit dem 11. September 2001. „Es ging mir auf den Keks, dass Bush die Welt in Gut und Böse aufteilt.“ Entstanden ist daraus eine neue US-Flagge. Sie ist knallbunt: rot, pink, schwarz, blau leuchten die Streifen, Sonne und Mond blitzen oben links statt der Sterne.

Darauf ein Tänzer in grün, der die Hände abwehrend dem Bösen entgegengestreckt, das von oben kommt. „Das Symbol der Flagge wurde viel zu hoch gehängt“, sagt Breinersdorfer. Seine Technik ist impulsiv, intensiv, intuitiv. Seinen Protest gegen die Instrumentalisierung des Terrors hat er ebenso spontan gemalt. Das war genau zwei Tage nach den Anschägen. Wieder ein dreizehnter, nur die Ausstellung, die läuft noch bis zum 20. März. Mirja Ibsen