Mit dem I-Tüpfelchen der Ironie

■ „Wenn ich mich für einen Künstler entscheide, zeige ich alles“, sagt die Galeristin Rabus. Der Konzeptkünstler Harald Falkenhagen konterkariert humorvoll die Erwartungen seines Publikums

Ein Smalltalk über Kunst ist ja nichts Ungewöhnliches auf Vernissagen. Konsequenterweise initiiert ihn Harald Falkenhagen in der ihn ausstellenden Galerie Rabus gleich selbst. „Sie würden jetzt sicher gerne ein Gespräch über Kunst beginnen“, fragt der Künstler in seiner ersten mehrteiligen Arbeit, die er präzise mit Datum und Zeitangabe dokumentiert hat. Im nächsten Bild rät er davon schon ab: „Besser sie nehmen nicht diese Arbeit als Anstoß dafür.“

Enttäuscht? Nein, das war ja erst der Anfang der Ausstellung. Es warten ja noch zwölf weitere Objekte. Allerdings werden die BetrachterInnen nicht so direkt in einen Dialog verwickelt, wie hier. Im Folgenden darf dem Künstler bei seinem Selbstdialog über die Schulter geschaut werden.

Harald Falkenhagen arbeitet nach immer dem gleichen Konzept: Das jeweils erste Blatt gibt die Form an: Datums- und Zeitangaben dokumentieren den Entstehungsprozess. Dann folgt eine Art Experiment, an dem der Künstler sein Publikum teilhaben lässt, nicht ohne ihm und sich selber ein eher paradoxes Ergebnis zu liefern. „Tilgungsmittel“ umschreibt Falkenhagen eine Arbeit, die am 10. April 01 von 23.06 bis 23.14 Uhr entstanden ist.

Auf acht Blättern werden anhand simpler Zeichnungen unterschiedliche Radiergummisorten präsentiert. Ein „weicher Kautschukradierer“, ein „mittelfester Büroradierer“ oder ein „Knetgummi“ (deformierbar). Am Ende stellt Falkenhagen noch den „Handbesen zum Entfernen lästiger Radiergummi-Krümel“ vor und gelangt schließlich zu dem Resümee: „Nichts davon habe ich“.

Falkenhagen inszeniert eigene Geschichten. Mit seinen Zeichnungen ironisiert er den Schaffensprozess, und konterkariert die Erwartungen des Publikums, ohne dabei abfällig zu werden, immer mit einer positiven und humorvollen Haltung.

Angefangen hat Harald Falkenhagen 1976 mit „experimenteller Fotografie“. Auf dunklen, großformatigen schwarz-weiß Bildern inszenierte der Künstler sich selbst in immer der gleichen Kleidung, vor dem immer gleichen Vorhang mit wechselnden Requisiten. Warum hat er die radikale Wendung zu den leichten, kleinen Arbeiten vollzogen? „Ich konnte nicht mehr reduzieren“, antwortet Falkenhagen in Hinblick auf seine Fotoarbeiten. So begann er 1983 mit den ersten Zeichnungen. Seine Stapel von Skizzen hat er damals mit Deckblättern versehen, auf denen das Datum vermerkt war. Jetzt integriert Falkenhagen diese Angaben in sein Werk und setzt mit den genauen Zeitangaben der Ironie das I-Tüpfelchen auf.

Katrin Rabus fand nicht von Anfang an Gefallen an Falkenhagens Zeichnungen. Ihr hatten es eher die großformatigen Fotos angetan, als sie ihn 1987 das erste Mal ausstellte. „Aber wenn ich mich für einen Künstler entscheide, zeige ich alles“, erklärt die Galeristin in ihrer Ansprache. Das Vertrauen zu ihren KünstlerInnen hat ihr Recht gegeben und zeigt sich auch im Verhältnis zu Harald Falkenhagen.

Er hat selbst die Auswahl für den jetzt erschienenen Katalog getroffen, der nur teilweise Werke aus der derzeitigen Ausstellung enthält und eigentlich auch schon vor zwei Jahren herauskommen sollte. Aber den Normen des Kulturbetriebes entziehen sich (glücklicherweise) beide mal ganz gerne, Katrin Rabus durch die Unabhängigkeit ihrer Galerie und Harald Falkenhagen durch die Konsequenz in seinen Werken.

Silke Schumacher-Lange

Bis zum 25.Februar in der Bremer Galerie Rabus, Plantage 13. Geöffnet Di – Fr von 15 bis 18 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung (Tel.: 0421 - 35 65 68)