Importgegner spüren Aufwind

Die Zustimmung zum Import von embryonalen Stammzellen kommende Woche im Bundestag schien sicher. Doch nun finden die Gegner in der CDU-Fraktion überraschend viele Anhänger. Und auch bei Rot-Grün gibt es Zweifel

BERLIN taz ■ Die Gegner des Stammzellenimports konnten ihr Glück kaum fassen, als die Unions-Abgeordneten am Dienstagnachmittag ihre Hände zur Probeabstimmung erhoben. Mehr als zwei Drittel der anwesenden 140 Parlamentarier votierten für den Antrag von Importgegner Hermann Kues. Dem Lebensschützer Hubert Hüppe (CDU) fiel ein Stein vom Herzen, wie er Journalisten anvertraute. Am Montag sei er noch „pessimistisch“ nach Berlin gereist.

Lange sah es so aus, als könnten die Befürworter um die Vorsitzende der Enquetekommission für Biomedizin, Margot von Renesse (SPD), Forschungsstaatssekretär Wolf-Michael Catenhusen (SPD) und Exgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) mit einer klaren Mehrheit rechnen. Schließlich steht der Kanzler dahinter, und auch sein Nationaler Ethikrat riet zu.

Die Importfreunde schienen die Sachzwänge auf ihrer Seite zu haben. Verfassungsrechtlich sei ein Importverbot nicht durchzusetzen, schließlich würden ja keine Embryonen importiert, sondern nur Stammzellen, aus denen kein Mensch mehr wachsen könne. Es müsse bloß verhindert werden, hieß es, dass deutsche Bestellungen den Verbrauch weiterer Embryonen auslösen. Deshalb wollen die Importbefürworter die Einfuhr bereits heute existierender Stammzellenlinien erlauben.

Insgesamt sieben Antragsentwürfe machen derzeit die Runde. Allein drei stammen aus der Union. Während Kues eine satte Mehrheit einfuhr, mussten sich die Anhänger eines Imports unter strengen Auflagen um Fraktionsvize Maria Böhmer und Exgesundheitsminister Horst Seehofer mit zwei Dutzend Stimmen begnügen. Die Gruppe um Peter Hintze, Katharina Reiche und Peter Altmaier mit ihrem Antrag für „medizinisch hochwertige Forschung“ kam auf ein ähnlich dürftiges Ergebnis.

Noch ist unklar, wie die Abgeordneten aus dem Regierungslager abstimmen werden. Beide Fraktionen verzichteten auf Probeabstimmungen. Schließlich ist der Fraktionszwang ohnehin aufgehoben. In beiden gibt es viele Importgegner. Sie sammeln sich um Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Wolfgang Wodarg (SPD) sowie um Monika Knoche (Grüne). Ausgerechnet die Justizministerin teilt nicht die Ansicht der Importfans, die Forschungsfreiheit stünde gegen ein Verbot. Im Gegenteil: Die Vernichtung von Embryonen verstoße gegen die Menschenwürde, meint Däubler-Gmelin.

Es wird erwartet, dass zur Bundestagsdebatte am kommenden Mittwoch nur noch drei Anträge übrig bleiben. Wodarg und Knoche einigten sich gestern bereits mit Unionsfraktionsvize Kues auf ein gemeinsames Papier gegen den Import. Auch Catenhusen, Fischer und Böhmer werden sich wohl verständigen. Doch das dauert länger, weil einige Details unter den Importbefürwortern strittig sind, etwa das Ausmaß der Kontrolle. Vermutlich wird sich auch die FDP mit den Hightech-Medizin-Anhängern in der Union im Laufe der Woche einigen, die auch in Deutschland Stammzellen herstellen wollen.

Diese Unionspolitiker um Hintze, Reich und Altmaier brechen mit ihrem Antrag ein Tabu: Sie können sich nicht nur die Herstellung embryonaler Stammzellen in Deutschland vorstellen. Sie wollen dafür auch die eingefrorenen Eizellen in Vorkernstadium verwenden, die aus der künstlichen Befruchtung übrig sind. Dabei geht es streng genommen noch nicht um menschliches Leben: Es handelt sich um Eizellen, in die zwar schon ein Spermium eingedrungen ist, sein Erbgut aber noch nicht mit dem des Eies verschmolzen ist. Mediziner nennen sie lax „imprägnierte Eizellen“, weil sie sich anders als unbefruchtete Eier problemlos einfrieren lassen. Von ihnen schlummern Zehntausende in deutschen Kühlfächern.

Würde man sie für die Stammzellengewinnung nutzen, müsste man sie aber auftauen, zu Embryonen reifen lassen – und dann vernichten. Man würde also faktisch Embryonen erst für die Forschung herstellen. Genau das, was angeblich niemand will.

MATTHIAS URBACH