Das intime Wissen des Wolfgang Frenz

Der NPD-Mitgründer ist nicht der erste V-Mann, dessen Einsatz im rechten Milieu die Politik in Bedrängnis bringt

BERLIN taz ■ Es ist schon grober Stoff, was der NPD-Funktionär Wolfgang Frenz so von sich gibt. „Wenn es Auschwitz nicht gegeben hätte, müsste es für die Juden von heute erfunden werden“, schrieb der frühere stellvertretende Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen vor drei Jahren in seinem Buch „Verlust der Väterlichkeit oder Das Jahrhundert der Juden“. Und weiter: „Denn Auschwitz ist die Machtergreifung durch das vernetzte Judentum.“ Das Buch wurde 1999 in die Liste der jugendgefährdenden Schriften eingetragen – und in den NPD-Verbots-Anträgen von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag sollen die Zitate als Beweismittel dienen. Doch seit gestern ist öffentlich bekannt: Der Autor war langjähriger V-Mann der Düsseldorfer Verfassungsschutzbehörde.

„Die Kontakte mit dem Landesamt für Verfassungsschutz begannen 1959“, bekannte Frenz jetzt dem Fernsehmagazin „Report Mainz“. Er sei unter anderem zum Organisationsstand der NPD befragt worden. „Ich hatte als Gründungsmitglied der NPD die intimsten und längsten Kenntnisse. Ich kannte und kenne Gott und die Welt.“ Bis 1995 wurde Frenz als V-Mann geführt. Danach wurde nach den Angaben des Düsseldorfer Innenministers Fritz Behrens (SPD) „abgeschaltet“.

„Dass man in der Szene Leute hat, die mit der Szene vertraut sind, ist eine übliche Arbeitsweise unserer Dienste“, sagte gestern der niedersächsische Minister Heiner Bartling. Die Nutzung von Informationen eines V-Mannes auch für einen Verbotsantrag ist für den Sozialdemokraten „ein ganz natürlicher Vorgang“.

Der Einsatz von „Vertrauensmännern“, die oft fälschlich als „Verbindungsmänner“ bezeichnet werden, sorgt immer wieder für Schlagzeilen – zuletzt Mitte vorigen Jahres in Thüringen. Am 23. Mai 2001 outete sich der ehemalige thüringische NPD-Vize Tino Brandt im Fernsehen als Spitzel. Der überzeugte Rechtsextremist erklärte, er habe dafür „mehr als einen fünfstelligen Betrag“ erhalten, den er vollständig für Neonazipropaganda verwendet habe.

In Mecklenburg-Vorpommern erwies sich 1999 der damals 21-jährige NPD-Funktionär Michael Grube als bezahlter V-Mann des Verfassungsschutzes. Mit Kameraden hatte der Baulehrling die Pizzeria eines Nepalesen in Grevesmühlen in Brand gesetzt. Zudem hatte er sich in anderen Fällen wegen versuchten Totschlags vor Gericht zu verantworten.

Auch Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) hält das Einschleusen von V-Leuten für zwingend notwendig. Dabei müsse allerdings überprüft werden, ob sie nicht als Agents Provocateurs tätig würden. Mit anderen Worten: Die Aktivitäten, die erst auf Initiative von V-Leuten zustande kamen, dürfen der Partei nicht zur Last gelegt werden. Auf diese Unterscheidung dürfte auch Horst Mahler Wert legen, der die NPD im Verbotsverfahren vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht vertritt. Nach dem Outen des V-Mannes sprach er gestern von einer „Steilvorlage“, mit der das Verbotsverfahren „gekippt“ werden könnte. WOLFGANG GAST