Der größte Erfolg der NPD

Bundesinnenminister Otto Schily bedauert, dass das Bundesverfassungsgericht die Termine im NPD-Verbotsverfahren gekippt hat. Er bleibt aber im Amt und entlässt auch keine Mitarbeiter

BERLIN taz ■ Ob das NPD-Verbotsverfahren nun platzt oder um Monate verschoben wird, blieb gestern vorläufig unklar. Deutlich wurde dagegen, dass die Riesenpanne im Verfahren als wirksamste NPD-Werbungsaktion aller Zeiten in die Geschichte der rechtsextremistischen Partei eingehen wird.

Nach stundenlangen Verzögerungen trat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gestern vor die Presse und forderte „alle demokratischen Kräfte in Deutschland“ auf, darauf zu achten, „dass dieses Verfahren nicht in Gefahr gerät“. Schily erklärte: „Ich bedauere außerordentlich, dass die Termine zum NPD-Verbotsverfahren vom Bundesverfassungsgericht abgesetzt worden sind.“

Er bekundete „volles Verständnis“ dafür, dass das Gericht über die Rolle eines der Belastungszeugen als Verfassungsschutzspitzel aufgeklärt werden wolle. Allerdings hätte er, Schily, „auch begrüßt“, wenn das Gericht ihm Gelegenheit zu einer persönlichen Stellungnahme gegeben hätte, bevor es die Verhandlungstermine kippte.

Personelle Konsequenzen zog Innenminister Schily – anders als den ganzen Tag über von der Union gefordert – nicht: „Ich werde meine Arbeit in bewährter Manier fortsetzen“, sagte er. Zwei Abteilungsleiter aus seinem Ministerium sowie seinen Staatssekretär Claus Henning Schapper, die maßgeblich an dem Kommunikationsunfall beteiligt waren, habe er „gerügt“, sie aber wegen ihrer „außerordentlichen Leistungen“ im Amt belassen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag überraschend alle für Februar geplanten Verhandlungstermine abgesetzt. Als Grund gab es an, vom Innenministerium durch Zufall erfahren zu haben, dass einer der insgesamt 14 geladenen Zeugen ein langjähriger V-Mann, ein Spitzel also des Verfassungsschutzes in der NPD, gewesen sei. Bei diesem handelt es sich um das Gründungsmitglied der NPD Wolfgang Frenz, der bis 1995 für den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen gearbeitet hat.

Gestern kam heraus, dass ein Abteilungsleiter Schylis seit August, ein anderer Abteilungsleiter und Staatssekretär Schapper bereits seit Tagen erstens wussten, dass Frenz bis 1995 als V-Mann gearbeitet hatte. Zweitens aber befanden sie, dass dies für das Verfahren nicht wichtig sei, da ja das verwendete Material jüngeren Datums sei. Auch als das Verfassungsgericht dringend um Klärung bat, informierten die Beamten ihren Minister nicht. Gleichzeitig ließen sie das Gericht im Unklaren darüber, ob Frenz überhaupt noch Spitzel sei. Schily geißelte dies Verhalten gestern als „krasse Fehleinschätzung“ und betonte, er habe „erst am Dienstag“ von all dem erfahren.

Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, kommentierte Schilys Erklärung in relativ gemäßigten Worten: Innenminister Schily müsse Konsequenzen ziehen und „sehr deutlich“ erklären, wann er was gewusst habe. Auf die Frage, ob er den Rücktritt von Schily fordere, sagte Stoiber, es dürfe keine Vorverurteilung geben: „Erst muss ich wissen, was Sache ist.“ Insgesamt sei der Vorfall ein „Skandal erster Güte“. UWI

brennpunkt SEITE 3 und 4