Zeugnisse des Rassenwahns

In Südafrika wird im Mai ein Museum offiziell eröffnet, das der Geschichte der Apartheid und des Widerstands gewidmet ist. Erster prominenter Gast ist Bundespräsident Rau, der die Bedeutung der Wahrheitskommission für die Zukunft hervorhebt

aus JohannesburgMARTINA SCHWIKOWSKI

„Blankes“ und „Nie-Blankes“ steht in Afrikaans auf der Eintrittskarte, „Weiße“ und „Nicht-Weiße“. Gleich am Eingang in das neue Apartheidmuseum am Rande von Johannesburg wird die Absurdität der südafrikanischen Geschichte deutlich: Rassentrennung nach Hautfarbe. Auch für den Besucher. Durch vergitterte Gänge führen separate Wege in die Historie, eine Begegnung mit der brutalen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung durch ein weißes Minderheitenregime.

Hohe Stahlgerüste tragen plakatgroße Passkopien mit Fotos von Schwarzen, Farbigen und Asiaten. Es sind Originaldokumente von Südafrikanern, die per Registrationsgesetz 1950 wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert wurden. Eine kurze Strecke erleben auch die Besucher die Apartheid am eigenen Leib, bis sie gemeinsam durch die Ausstellung in der kalten Betonarchitektur des Gebäudes gehen.

Als erster prominenter Gast noch vor der offiziellen Eröffnung im Mai hielt Bundespräsident Johannes Rau am Mittwoch auf seinem ersten Staatsbesuch in Südafrika eine Ansprache im Museum. Er hob die Bedeutung der Wahrheitskommission hervor. Es sei wichtig, dass die Kommission „die historische Wahrheit über die schrecklichen Verbrechen der Apartheidzeit aufgedeckt und der gesamten Nation in öffentlichen Anhörungen vor Augen geführt hat“, sagte Rau. Vieles bleibe noch zu tun. Er sei aber überzeugt, dass der von Südafrika gewählte Weg zu einem friedlichen Zusammenleben führen werde. Rau sicherte Deutschlands Unterstützung zu.

Wie die Apartheid sich im Zuge des anwachsenden weißen Nationalismus verfestigte, können die Besucher durch Filme mit Propagandareden nachvollziehen. Der Apartheidarchitekt und spätere Staatschef Hendrik Verwoerd rechtfertigte die Einführung der minderwertigen „Bantu-Erziehung“ für Schwarze: „Es gibt keinen Platz für Afrikaner in der europäischen Gemeinde, außer bei bestimmten Arbeitsformen.“ 150 schwarze Schilder benennen die Gesetze zur Rassendiskriminierung nach der Regierungsübernahme der Nationalen Partei 1948.

Gegenüber ist auf Stahlgittern in steriler Gefängnisatmosphäre das Aufkommen der Anti-Apartheid-Bewegung dargestellt. Im benachbarten Gang ertönt Nelson Mandelas Stimme von 1964, als er Hauptangeklagter im Rivonia-Prozess wegen Staatsverrats war: „Ich hege die Idee einer demokratischen und freien Gesellschaft, in der alle Menschen in Harmonie und Gleichberechtigung leben. Es ist ein Ideal, für das ich lebe und das ich erreichen möchte. Aber wenn es sein muss, bin ich bereit, für dieses Ideal zu sterben.“

Lebensgroße Schwarzweißbilder und Videoaufnahmen zeigen die Entwicklung nach Mandelas Verhaftung und dem Verbot der Befreiungsbewegung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) 1960. Heute ist der ANC Regierungspartei. Stacheldrahtrollen und ein Polizeifahrzeug zeugen von der Gewalt gegen Aufständler in den Townships. 131 Galgen hängen neben Folterkammern von der Decke, Symbole für die Opfer der Todesstrafe bis zu ihrer Abschaffung 1989, ein Jahr vor Mandelas Freilassung.

Das Apartheidmuseum trägt auch dem Triumph der Demokratie Rechnung. Verhandlungen zwischen Mandela und dem damaligen Präsidenten Frederik Willem de Klerk öffneten den Weg in die Zukunft. Ein „Wahlkorridor“ ist mit Parteiplakaten für die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen gepflastert. Die Wählerschlangen ziehen sich auf Bildern über die Betonwände. Die Euphorie eines befreiten Volkes gipfelte 1994 in Mandelas Wahl zum Präsidenten.