Menschenrechte kontra US-Stützpunkt

Usbekistans autokratischer Präsident will sich per Referendum seine Amtszeit um zwei Jahre verlängern lassen. Trotz Menschenrechtsverletzungen hat Islam Karimow außenpolitisch als Mitglied der Anti-Terror-Allianz Rückendeckung

BERLIN taz ■ „Der Usbeke isst kleine, feine Portionen, doch am Ende isst er alles“, lautet ein Sprichwort, das bei den Nachbarn des zentralasiatischen Landes kursiert. Das scheint Islam Karimow begriffen zu haben. Der usbekische Präsident, seit 1991 im Amt, will von der Macht nicht lassen, aber immerhin den demokratischen Schein wahren. So sind am kommenden Sonntag rund 13 Millionen Usbeken zu einem Volksentscheid aufgerufen. Außer einer Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre sollen sie noch die Einführung eines Zweikammerparlaments absegnen.

Die Umgehung der Verfassung, die das Mandat des Staatschefs auf maximal zwei mal fünf Jahre begrenzt, hat Methode. Bereits 1995 ließ sich Karimow vom Volk seine Amtszeit bis 2000 verlängern. Bei den Präsidentenwahlen im gleichen Jahr fuhr er ein sowjetisches Ergebnis von knapp über 90 Prozent der Stimmen ein. Mit dem jetzigen Coup könnte er, unter Verweis auf die geänderte Verfassung, 2007 für eine zweite Amtszeit antreten.

Doch das alles ficht die offizielle Propaganda nicht an. Der Sprecher des Parlaments, Erkin Halilow, der seinen Landsleuten zuvor noch die Idee einer Präsidentschaft auf Lebenszeit hatte schmackhaft machen wollen, pries das bevorstehende Referendum als Mittel, um die Regierung effektiver zu machen und die Demokratie zu befördern.

Wie die usbekische Demokratie in der Praxis aussieht, weiß Schuchrat Babadjan aus eigener Anschauung. Der regimekritische Künstler und Journalist, seit kurzem anerkannter politischer Flüchtling in Deutschland, nahm 1995 am Referendum teil. „Wer mit Ja stimme, faltete nur den Wahlzettel. Wer die Kandidaten durchstreichen wollte, hatte nur einen Stift ohne Mine. Ich besorgte mir einen anderen. Abends kam die Miliz zu meinem Vater und fragte: ‚Wen sollen wir ins Gefängnis stecken, dich oder deinen Sohn?‘ “

Doch Wahlmanipulationen und große Kampagnen, bei denen Fakultätsangehörige und Belegschaften von Betrieben geschlossen zur Abstimmung gekarrt werden, sind noch harmlose Unterdrückungsmethoden. Angaben der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge sitzen rund 7.600 politische Gefangene in usbekischen Gefängnissen. Die Meisten werden der Mitgliedschaft in der verbotenen Hizb ut-Tahrir (Partei der Befreiung) beschuldigt, die sich für die friedliche Wiedereinsetzung des islamischen Kalifats einsetzt. 2001 wurden wöchentlich 30 Personen aufgrund ihres Glaubens verhaftet. Mehrere muslinische Persönlichkeiten, ohnehin gnadenloser Verfolgung ausgesetzt, kamen unter ungeklärten Umständen zu Tode.

Doch darum braucht sich Karimow nicht zu kümmern, hat er doch Rückendeckung der besonderen Art. Seit den Anschlägen vom 11. September spielt das Land, wo auf dem Stützpunkt Chanabad 1.500 US-Soldaten stationiert sind, für Washington im Anti-Terror-Kampf eine wichtige Rolle. Im November sagten die USA Usbekistan 100 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern und Kredite in Höhe von 50 Millionen US-Dollar zu.

Derzeit geben sich US-Kongressabgeordnete in Taschkent die Klinke in die Hand. „Wir sehen viele Perspektiven für eine Wirtschaftskooperation mit Usbekistan, besonders in der Öl- und Gasindustrie“, meinte kürzlich Bob Smith, Senator aus New Hampshire. Und Lorne W. Craner, zuständig im US-Außenministerium für Programme zur Förderung von Menschenrechten und Demokratie, antwortete auf die Frage, ob es Garantien dafür gebe, dass Sicherheitsprogramme mit Usbekistan nicht autoritäre Tendenzen der Regierung verstärken würden: Immerhin hätten die Regierungen in dieser Region jetzt Gelegenheit, sich zu öffnen. „Für Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan trägt jetzt auch der Westen einen Teil der Verantwortung“, sagt Babadjan. „Und das alles im Tausch gegen einen Flughafen.“ BARBARA OERTEL