Glückliche Schweine stinken Nachbarn

Einem Neuland-Bauern soll es an den Kragen gehen, weil die artgerecht gehaltenen Tiere schlechte Luft produzieren

HANNOVER taz ■ Auf dem Hof von Landwirt Martin Schulz in Quickborn, direkt an der Castor-Route von Dannenberg nach Gorleben, sind die Schweine glücklich. Die 50 Sauen des Neuland-Bauern werden artgerecht gehalten: Sie leben in Hütten im Freien. Auch die 230 Mastschweine haben Auslauf aus dem Stall, wo sie nicht auf Spaltenböden stehen müssen, sondern im Stroh liegen dürfen. Die Tiere werden mit heimischen Futtermitteln ernährt, und im Interesse der Neuland-Kunden sind Antibiotika verboten.

Weniger froh ist der Inhaber des 26 Hektar kleinen Hofes. Ende vergangenen Jahres hat der Landkreis Lüchow-Dannenberg einen Bauantrag von Bauer Schulz abschlägig beschieden. Er soll seine Schweine nicht weiter halten dürfen. Begründung: Sie produzieren zu viele Geruchsemissionen. Die artgerecht gehaltenen Tier sollen einfach zu sehr stinken.

Für Schulz bedeutet die Ablehnung seines Antrages, mit dem er den amtlichen Segen für die Umnutzung seines ehemaligen Rinderstalles einholen wollte, eine Bedrohung seiner Existenz. „Ich brauche die Schweinemast, um wirtschaftlich zu überleben.“

Anstoß erregt hatten seine glücklichen Schweine bei den Nachbarn erst, als die von der Biogasanlage erfuhren, die Schulz ursprünglich bauen wollte. Und obwohl der Bauer die Pläne längst ad acta gelegt hat, gerieten in der Diskussion über durch eine solche Anlage drohende Geruchsbelästigungen plötzlich auch die artgerechten Ausdünstungen der Schweine ins Blickfeld.

In seiner Not hat sich Schulz inzwischen schriftlich an zwei niedersächsische Landesminister gewandt. Gegenüber Landwirtschaftsminister Uwe Bartels beschwerte er sich so darüber, dass er wegen des umliegenden Biosphärenreservats Elbtalaue keine festen Sauenställe errichten darf. Ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums erklärte, man wolle versuchen, Schulz im Zuge der laufenden Flurneuordnung einen Flächentausch anzubieten, der einen Stall außerhalb des geschützten Gebietes ermöglicht.

In einem Brief an Umweltminister Wolfgang Jüttner zweifelt der Landwirt dann die Faktor-10-Methode an, mit der in Niedersachsen Gerüche gemessen werden. Er verweist darauf, dass das jenseits der Elbe gelegene Mecklenburg-Vorpommern andere Maßstäbe hat.

Der für Emissionsschutz zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium, Helge Wendenburg, hält jedoch am Faktor 10 fest. Das Verfahren entspreche einer Empfehlung der Umweltministerkonferenz, werde in fast allen Bundesländern angewandt und sei gerichtlich überprüft worden.

Konflikte zwischen artgerechter Tierhaltung und dem Interesse der Nachbarn an unbelasteter Luft sind dem Beamten allerdings nicht neu. „Die konventionelle Massentierhaltung ist aus der Sicht der Luftreinhaltung sicherlich umweltfreundlicher als artgerechte Tierhaltung“, umschreibt er den „innergrünen Zielkonflikt“. Die konventionellen Ställe seien nach außen dicht, es gäbe keinen diffusen Emissionsquellen, und in den Abluftkamin könne man notfalls einen Biofilter einbauen. Den gleichen Konflikt gebe es bei der Einführung der Freilandhaltung von Legehennen, bei der die Belastung der Luft und vor allem des Grundwassers höher liege als bei Käfighaltung.

Der Abteilungsleiter verweist jedoch auch darauf, dass Dorfbewohner rund ein Fünftel der Zeit „landwirtschafliche Gerüche“ ertragen müssen. Das Umweltministerium will jetzt die Entscheidung des Landkreises gegen den Bauantrag überprüfen und konkret nachfragen, wie lang im Jahr dessen Schweine tatsächlich stinken. Vielleicht könne der Konflikt des Bauern mit seinen Nachbarn auch durch einen Umbau der Stallungen beigelegt werden. Wenn das allerdings alles nicht helfe, dann gehöre auch ein artgerechter Betrieb „einfach nicht in einen Ort hinein“, sagt Wendenburg. JÜRGEN VOGES