Der zweite Verrat

Eigentlich ist es Rainer Schubert egal, mit wem Wowereit ins Bett geht. Solange es nur nicht die PDS ist. Der SPD hat er auf jeden Fall einen „heißen Wahlkampf“ versprochen

Der Türöffner summt schon vor dem Klingeln, durch die Gegensprechanlage kommt die Aufforderung einzutreten. „Ich habe Sie schon gesehen“, begrüßt Rainer Schubert seinen Besuch. Die Kamera, die in der Ecke des kleinen, hellen Wohnzimmers hängt, zeigt, dass das wohl kein Zufall war. „Kleines Andenken an meine Haftzeit“, grinst Schubert. Auch der 55-jährige Journalist gehört zu der Gruppe der SPD-Mitglieder, die ihren Austritt erklärt haben. Er, der mehr als 30 Jahre Mitglied war, ist zwar in Westberlin aufgewachsen, kann der Regierungsbeteiligung der PDS aber trotzdem nichts abgewinnen. Oder besser: Er kann sie nicht aushalten, was mit seiner persönlichen Geschichte zusammen hängt.

Ende der 60er-Jahre fing Schubert an, Menschen in der DDR zur Flucht zu ermöglichen. Einem Freund, der selbst ehemaliger DDR-Bürger war, half er, zwei von dessen Freunden aus Magdeburg zu holen. Nachdem die Aktion das erste Mal geklappt hatte, machten sie weiter – und verhalfen im Laufe der Jahre rund hundert Menschen zur Flucht.

Bis zum achten Januar 1975. Da ist Rainer Schubert verraten worden, von einem Freund in Ostberlin, der eigentlich auch in den Westen wollte. Bei einem Treffen am Alexanderplatz wurde Schubert von der Stasi verhaftet, des „staatsfeindlichen Menschenhandels im Kampf gegen die Deutsche Demokratische Republik“ angeklagt und in einem Aufsehen erregenden Prozess zu 15 Jahren Haft verurteilt. 9 davon musste er auch wirklich absitzen, zwei sogar in absoluter Isolationshaft, bis ihn die BRD freikauft.

Schubert ist ein Mann der klaren Worte. „Es ist mir scheißegal, ob Wowereit schwul oder lesbisch ist oder mit seiner Katze ins Bett geht. Aber es ist mir nicht egal, wenn er mit Gysi ins Bett geht!“, regt sich Schubert auf, während er sich eine Zigarette nach der anderen anzündet. Mit dieser Koalition sei die PDS salonfähig geworden und das Ganze sei nur ein Testfall für die kommenden Bundestagswahl.

Mehr als 128.000 Seiten Stasi-Akten hat Schubert in seiner kleinen Wohnung gesammelt, sie füllen neben Dutzenden von Büchern die Schrankwand in seinem Büro. Auch das Schloss seiner Zelle in Bautzen hat er hier. Schubert lebt für seine Politik und seine Vorstellungen – und deswegen will er auch ohne Parteibuch aktiv bleiben. Der SPD hat er einen heißen Wahlkampf versprochen, jeden Tag will er sie daran erinnern, dass sie ihre Versprechen gebrochen hat, sie eine Verräterpartei ist. In seinen Augen jedenfalls. ANN