Lohnverzichtslüge am Pranger

Warnstreiks in der Metallindustrie gegen Gerechtigkeitslücke und für mehr Lohn  ■ Von Kai von Appen

Mit einer zweiten Warnstreikwelle in 44 Betrieben hat die IG Metall Küste ihre Forderungen zur Tarifrunde 2002 bekräftigt. In Elmshorn versammelten sich 300 streikende MetallerInnen aus Betrieben der Unterelberegion, die als Delegationen in die Krückau-Stadt entsandt worden waren, zu einer zentralen Kundgebung. Auf der HDW in Kiel nahmen 8000 MalocherInnen an einer Versammlung teil. Während es offiziell noch um die Durchsetzung des neuen Entgeldrahmen-Abkommens (ERA) geht – für diesen Bereich ist die Friedenspflicht bereits erloschen – spielt auch die Lohnforderung von 6,5 Prozent schon eine dominierende Rolle.

Wenn die Friedenspflicht am Karfreitag auch für den Lohn ausläuft, sollen beide Komplexe eng verknüpft werden. Dass die IG Metall bei den Löhnen einen kräftigen Nachholbefarf geltend machen wird, daran läßt sie keinen Zweifel. Denn immer mehr Wirtschaftswissenschaftler gelangen zu der These, dass satte Lohnerhöhungen zur Kaufkraft-Stärkung und zur Steigerung der Binnenkonjunktur unverzichtbar seien und treten offen der unternehmerischen „Lohnverzichtslüge“ (IG Metall) entgegen. Sie vertreten die Auffassung, dass Lohnverzicht heutzutage keine Arbeitsplätze schaffen, sondern das Gegenteil der Fall sei – was sich in den europäischen Nachbarstaaten bereits gezeigt hätte. Mit satten Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen seien dort die Arbeitsplatzzahlen gestiegen.

Die IG Metall-Küste zeigt sich aber bereit, in der Frage der Höhe der Löhne einige Prozentpunkte in das ERA zu stecken. Mit dem ERA soll die „Gerechtigkeitslücke“ geschlossen, das Zwei-Klassensystem in Arbeiter und Angestellte aufgehoben und die Entlohnung künftig leistungsbezogen berechnet werden. Da die ERA-Verhandlungen im Norden bundesweit am weitesten fortgeschritten sind, rüstet sich die IG Metall Küste, um in diesem Jahr bundesweit eine Pilotfunktion zu übernehmen.