Ein Brandbrief zum Abschied

Am letzten Arbeitstag erließ die Exsenatorin Goehler noch eine Teilsperre für städtische Bühnen. Die Senatorin wollte sich erst nicht daran erinnern. Doch die Sache gilt – und der Protest ist schon da

von PHILIPP GESSLER

Die letzte Amtshandlung der Mitte Januar ausgeschiedenen Kultursenatorin Adrienne Goehler sorgt in der Kulturszene der Stadt für Aufregung. Die parteilose Politikerin hatte an ihrem letzten Arbeitstag, dem 16. Januar, einen Brief an etwa 20 Kultureinrichtungen der Hauptstadt unterschrieben, in dem sie aufgefordert werden, bei ihren Plänen für das laufende Haushaltsjahr erst einmal von 3 Prozent weniger Subventionen auszugehen. Am Wochenende zeigte sich Goehler zunächst öffentlich überrascht, dies überhaupt geschrieben zu haben. Gleichwohl ist der Brief rausgegangen und für die betroffenen Bühnen, Orchester und Museen bindend.

Eine „vorläufige Sperre“ nennt die Sprecherin der Kulturverwaltung, Kerstin Schneider, die Maßnahme ihres Hauses. Es handle sich jedoch um keine Kürzung, da noch nicht entschieden sei, ob nach der Verabschiedung des Haushalts 2002 die Sperre aufgehoben werde und die Kulturinstitutionen nicht doch die gesamten eingeplanten Summen erhielten. Ähnlich sei es für viele Häuser vergangenes Jahr geschehen. Klar sei jedoch, dass der neue Kultursenator Thomas Flierl (PDS) ebenfalls die Sperre verhängt hätte.

In einer ersten Reaktion warnte Martin Redlinger, Sprecher des Konzerthauses am Gendarmenmarkt, davor, die mögliche Kürzung tatsächlich vorzunehmen. Man habe in den vergangenen Jahren jährlich rund eine Million Mark einsparen müssen – weitere „drastische Einschnitte“ verkrafte das Haus nicht mehr: „Das geht an die Substanz.“ Im Konzerthaus könnte dann „vieles“ nicht mehr stattfinden. Indendant Frank Schneider drohte, abends die Lichter vor und im Konzerthaus abzuschalten.

Bei der Deutschen Oper verweist man darauf, dass noch keine „definitive Entscheidung“ gefallen sei und Verträge einzuhalten seien. Hier will man die Haushaltsberatungen im Sommer abwarten. Allerdings nehme man die Sperre nicht auf die leichte Schulter, schon jetzt sei die Lage für das Haus ja desolat.

Während in der Volksbühne ähnlich argumentiert wird, kritisierte Peter Mussbach, künftiger Staatsopernintendant, im Focus: „Das ist klar gegen die Wahlaussagen des neuen Senats.“ Volker Hesse vom Maxim Gorki Theater schwant Schlimmes: „Man verschärft die Maßnahmen.“

Gelassenheit herrscht dagegen bei den Häusern, deren Subventionen nicht vom jeweiligen Landeshaushalt abhängen. So erklärte etwa der geschäftsführende Direktor des Berliner Ensembles, Alexander von Maravić, der Zuwendungsvertrag seines Theaters mit dem Land sichere seiner Bühne als private GmbH noch bis 2003 einen festen Betrag. Insofern sei man von der Maßnahme nicht berührt.

Gleichwohl ist der Unmut unter den von der Sperre betroffenen Kulturinstitutionen schon jetzt so groß, dass die Kulturverwaltung mit der Leitung des Konzerthauses am Gendarmenmarkt für die nächste Woche ein Gespräch vereinbart hat. Schneller und öffentlicher Protest hat zumindest das gebracht.