Seifenopern und Sport

Die russischen Journalisten, die sich um die Lizenz ihres abgeschalteten Senders TV 6 bemühen, könnten Erfolg haben. Das liegt daran, dass sie sich vom bisherigen Hauptaktionär losgesagt haben

aus Moskau BARBARA KERNECK

Wie Phönix aus der Asche auferstehen könnte bald TV 6: Denn die bisherigen Macher des am 21. Januar abgeschalteten letzten kritischen Fernsehprogramms Russlands bewerben sich um die Lizenz für die TV-6-Frequenz. Und auch der Name ihrer eigens dafür gegründeten Firma klingt wie bekannt: OOO TV6 heißt die neue Mediengesellschaft mit beschränkter Haftung.

Dass der nun vor ihnen liegende, etwa sechs Wochen lange bürokratische Marsch durch die Institutionen erfolgreich sein wird, hat Presseminister Michajl Lesin schon so gut wie versprochen. Mehr noch: Premierminister Kasjanow unterstützte öffentlich das Bestreben der Journalisten, wieder auf einem eigenen, unabhängigen Kanal zu senden. Selbst Präsident Putin, nach Meinung aller Beobachter treibende Kraft hinter dem Ende des alten TV 6, äußerte sich zuversichtlich zu den Aussichten der neuen Mannschaft.

Sinneswandel erklärbar

Der überraschende Sinneswandel hat allerdings weniger mit dem internationalen Medienecho auf Putins Abschaltpolitik oder den halbherzigen Reaktionen offizieller Stellen in der EU oder den USA zu tun. Sondern mit dem ehemaligen TV-6-Hauptaktionär Boris Beresowski.

Der Medienunternehmer fehlt nämlich nach der „Umregistrierung“ des Kanals in der Liste der Gesellschafter. Dass seine Nichtbeteiligung an der neuen Firma die Voraussetzung für ihr Zustandekommen gewesen ist, pfeifen in Moskau die Spatzen von den Dächern.

„Mich bedrückt der moralische Aspekt“, sagte die populäre ehemalige NTW- und bisherige TV-6-Moderatorin Swetlana Sorokina: „Im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, dass wir Boris Abramowitsch fallen gelassen haben und bei unserem Versuch, uns kollektiv zu retten, auf seinen Knochen stehen.“

Beresowski, dessen Karriere nicht nur Knochen, sondern angeblich auch auffällig viele Leichen pflastern, dürfte diese freundliche Aussage gern gehört haben: Rund 200 Millionen Dollar Verlust hat sein TV-6-Engagament gebracht – und dafür sein Image weltweit aufpoliert.

Jetzt will sich der Oligarch an seinem ehemaligen Schützling Wladimir Putin rächen: Beresowski versprach, Beweise dafür zu liefern, dass die Sprengstoff-Anschläge in Moskauer Ende der 90er-Jahre vom russischen Geheimdienst FSB inszeniert worden seien. Geheimdienstchef Patruschew konterte prompt, er werde Beresowski verklagen, weil dieser in Tschetschenien illegale bewaffnete Formationen finanziert habe. Warum der heute in London lebende Beresowski zur Hauptzielscheibe der russischen Regierung wurde, ist leicht zu erraten. Vor seinem Zerwürfnis mit Wladimir Putin hatte er geholfen, diesen dank seiner damaligen Aktienmehrheit am Regierungsfernsehen ORT mit in den russischen Präsidentensessel zu hiefen. Heute, gerade mal zwei Jahre vor den nächsten Präsidentenwahlen, will Putin den ehemaligen Freund um offenbar fast jeden Preis loswerden.

Weitere Enteignungen

Nach russischen Zeitungsberichte dienen die neuen Beschuldigungen gegen Beresowski ohnehin zur Vorbereitung weiterer Enteignungen: Zum Medienimperium des Finanziers gehören auch der Radiosender Echo Moskwy sowie die Tageszeitungen Nesawissimaja Gaseta und Kommersant.

Während die Politexperten noch über die genaue Strategie des Kremlchefs spekulieren, langweilen sich die russischen Fernsehzuschauer. Auf dem sechsten Kanal gibt es zurzeit nur Sport und Seifenopern. Aber auch hier hat die russische Regierung vorgesorgt: Das Kultusministerium verkündete letzte Woche die Gründung einer armeeeigenen Mediengesellschaft. Sie soll Funk und Fernsehen mit positiv stimmenden Reportagen aus den Einheiten der vaterländischen Streitkräfte versorgen.