In der Moschee will sich niemand erinnern

Der in Afghanistan inhaftierte Deutsch-Türke galt in Bremen als radikal, aber unauffällig. Eltern erhoffen Auslieferung

BREMEN taz ■ Gleich an der Tür wimmeln die Mitglieder der Bremer Abu-Bakr-Moschee derzeit Journalisten ab, die nach dem in Afghanistan verhafteten 19-jährigen türkischen Gemeindemitglied Murat K. fragen. „In dieser arabischsprachigen Moschee beten jede Woche 700 Muslime. Wir kennen den Jungen nicht.“ Der junge Mann, den US-Soldaten mit Taliban-Kämpfern zusammen gefangen genommen haben, soll Medienberichten zufolge ins Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba gebracht werden.

In der Moschee heißt es, für „irregeleitete Menschen sind wir nicht zuständig“. So wenig wohl, wie für den vergrößerten Bild-Zeitungs-Ausriss im Treppenhaus. Der weist unter dem Titel „Rauchen in den USA verboten“ darauf hin, dass in New Yorker „Bürotümen“ jetzt Hinweise hingen, dass Qualmen dort unerwünscht sei. Doch hier hatte Murat K. zuletzt offenbar eine religiöse Heimat gefunden. Zuvor soll ihm seine angestammte Stadtteilmoschee die Tür gewiesen haben. Kenner staunen darüber – denn bereits seine Stammgemeinde gilt als radikal, gehört sie doch zu der vom Verfassungsschutz beobachteten islamistischen Vereinigung Milli Görüs. Die arabische Abu-Bakr-Moschee dagegen beobachtete niemand. Auch der noch unter ungeklärten Umständen in Afghanistan verhaftete Bremer galt bislang als unbeschriebenes Blatt – ebenso wie sein Freund, der eigentlich im Oktober mit ihm nach Pakistan fliegen wollte. Dessen Ausreise scheiterte daran, dass er eine Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung noch nicht bezahlt hatte. Seither bewegt er sich frei in Bremen, ebenso wie zwei weitere Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft seit Oktober ermittelt. Der Verdacht: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Einer von ihnen ist auch in der Moschee bekannt. Es handelt sich um einen 42-jährigen staatenlosen Kurden, der als Vorbeter wegen seiner radikalen Thesen auf sich aufmerksam machte.

Allgemeines Mitgefühl gilt unterdessen der Familie von Murat K. Diese lebt seit Jahrzehnten in Bremen – und musste zuletzt zusehen, wie der Sohn sich immer mehr zum religiösen Fanatiker entwickelte. Alle Versuche, mäßigend auf den Sohn einzuwirken, seien vergeblich geblieben, berichten Bekannte. Gestern wandte sich die Mutter in einem Aufruf an US-Präsident George W. Bush. Er solle ihren Sohn nach Deutschland bringen lassen, damit er „notfalls hier vor Gericht gestellt werden kann“. EVA ROHDE