Führungsnation gesucht!

Deutschland überlegt jetzt doch, „Lead Nation“ in Afghanistan zu werden. Was die dortige Übergangsregierung lange forderte, hatte das Verteidigungsministerium bislang abgelehnt

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

In den nächsten 48 Stunden werden die drei Herren wohl miteinander reden, und ein Wort wird dabei häufig fallen: „Lead Nation“. Kanzler Schröder, Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping erwägen derzeit, ob Deutschland entgegen ursprünglicher Pläne doch die „Führungsnation“ bei der internationalen Militär-Truppe in Afghanistan spielen soll, wenn die Briten Ende März den Auftrag zurückgeben. In Regierungskreisen rechnet man mit einer ersten internen Festlegung, noch ehe der Bundeskanzler am Donnerstag nach Washington fliegt. Beim Treffen zwischen Schröder und US-Präsident George W. Bush wird das Thema zur Sprache kommen.

Die Deutschen sind in der Klemme: Der Chef der afghanischen Übergangsregierung, Hamid Karsai, hat bereits laut und wiederholt nach den Deutschen gerufen. Verteidigungsminister Scharping hat ebenso oft und deutlich gesagt, die Bundeswehr befinde sich in der größten Reform ihrer Geschichte und könne nicht eben mal eine Führungsrolle am Hindukusch spielen. Regierungssprecher Heye hat jetzt vor der Bundespressekonferenz einen Ausweg skizziert: Solange Deutschland „Lead Nation“ in Mazedonien sei, könne es die Aufgabe nicht auch noch in Afghanistan übernehmen. „Beides zusammen ist nicht zu leisten. Also müsste sich an dem Engagement in Mazedonien etwas ändern“, sagte Heye. Das derzeitige Mandat läuft Ende März aus – genau dann, wenn in Kabul eine Ablösung für die Briten nötig wird. Zwar ist die Fortsetzung noch nicht beschlossen, Italien soll aber bereits Interesse an der Führungsrolle in Mazedonien angemeldet haben.

Bedenken gegen ein verstärktes deutsches Afghanistan-Engagement gibt es vor allem beim Verteidigungsministerium. Dort weiß man um die Schwäche der Bundeswehr gerade bei der Leit- und Kommunikationstechnik, die für die Koordination eines multinationalen Einsatzes entscheidend ist. „Der ‚Lead‘ ist nicht so eine symbolische Sache, wie man denken könnte“, heißt es in Berlin. Ähnlich groß sind allerdings die Vorbehalte gegenüber der Türkei, dem einzigen anderen Staat, der noch als Führungsnation im Gespräch ist. Auch dort soll es an der notwendigen Hightech fehlen.

Wie immer die Entscheidung der Deutschen ausfällt, Übergangspräsident Karzai wird sie persönlich erhalten: Ende kommender Woche besucht auch Außenminister Fischer Kabul.