Musiktheatralischer Genuss

Gelungen: Ernst Theo Richter inszeniert „Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Staatsoper  ■ Von Reinald Hanke

Nun ist es geschafft: Die Hamburgische Staatsoper hat erstmals seit langer Zeit einmal wieder eine rundum gelungene Produktion herausgebracht, die nicht vom Erfolgsteam Metzmacher–Konwitschny stammt. Sergej Prokofjews Liebe zu den drei Orangen in der Inszenierung von Ernst Theo Richter und unter der musikalischen Leitung von Alfred Eschwé geriet mit einem höchst komödiantisch agierenden Ensemble und einem bestens aufgelegten Orches-ter zu einem musiktheatralischen Hochgenuss, der höchstens einen – nicht von den ausführenden Künstlern zu verantwortenden – Haken hatte: Das Werk erweckt nämlich selbst in solch gekonnter Darbietung nicht den Eindruck eines Meisterwerkes.

Aber das Stück passt in die Zeit. Die Liebe zu den drei Orangen, vom Komponisten selbst bewusst auf die begrenzte Aufnahmefähigkeit des amerikanischen Uraufführungs-publikums zugeschnitten, als erste Opernpremiere in der Amtszeit der neuen, vom Boulevard-Fach ins Polit-Ressort gewechselte Hamburger Kultursenatorin Dana Horáková: Honni soit qui mal y pense!

Regisseur Richter hat sich als Bühnenbildner keinen Geringeren als Karl-Ernst Herrmann an die Elbe mitgebracht. Und dieser baute ihm einen seiner berühmten magischen Räume: Ein gemalter roter Vorhang wird umkränzt von zwei in veränderlichen Farben aufleuchtenden Lichtbändern. Bei hochgezogenem Vorhang ist der Blick freigegeben auf einen mehrdeutigen Raum zwischen Zirkusarena und Universitätshörsaal. Sitzreihen mit Tischen steigen steil an hinter einer runden Bühne.

Diese wiederum ist auf der Rückseite durch einen mit rotem Vorhang und weiteren zwei Lichtbändern markierten Zugang zu betreten. Die Zirkusassoziation liegt nahe, zumal der Regisseur – dem Stück gemäß – allerlei von Jorge Jara geschmackvoll farbenfroh gewandetes Zirkusvolk auftreten lässt: Akrobaten, Magier, Clowns, ein urig-komisches Ballett der milchspritzenden Rindviecher und vieles mehr.

In der Eingangsszene erinnert alles an einen Hörsaal der medizinischen Fakultät. Da wird den Studenten der seltene Fall eines Patienten vorgeführt, der an einer fast unheilbaren, zum Tode führenden Depression zu leiden scheint. Nur eines kann diesen Patienten, den Sohn des Königs Treff, retten: dass er wieder lacht. Nun liegt er aber erst einmal auf der runden Bühne des Hörsaals wie auf einem Seziertisch, als ob er bereits dahingeschieden wäre. Und er lässt die akademischen Erörterungen über sich ergehen, bis er – in ein Leintuch eingeschlagen – abtransportiert wird. Und dann kann die Geschichte um ihn, den unglücklichen Thronerben, der entweder zur Seite geschafft werden soll, oder den man sich wegen seines Erbes angeln will, losgehen.

Regisseur Richter versuchte erst gar nicht, den wirren Handlungsverlauf nachzuerzählen. Er stellte vielmehr die Situationskomik in den Mittelpunkt seiner Inszenierung und vermittelte so aufs Beste das, was in jeder Situation zwischen den einzelnen Figuren passiert. So wurde jede Szene glaubwürdig und geriet in sich schlüssig – ganz unabhängig von der fragwürdigen Logik der Gesamthandlung des Stückes. Richter ließ den komödiantischen Talenten aller Mitwirkenden freien Lauf, brachte diese aber präzise auf den Punkt. So gab es keinen Ausfall in einem guten und in sich stimmigen Ensemble, in dem das Hervorheben eines Einzelnen alle anderen zu Unrecht abwerten würde.

Und auch wenn so mancher Stimme an diesem Abend etwas das Volumen fehlte, nie fehlte es an darstellerischem Format. Der von Altmeister Jürgen Schulz einmal mehr bestens vorbereitete Chor zeigte ebenfalls vorzügliche stimmliche und komödiantische Qualitäten, und im Orchestergraben wurde mit Esprit und Brillanz musiziert. Die französischen Klangfarben der Partitur sind zwar unter der Leitung von Alfred Eschwé etwas kurz gekommen, dem insgesamt positiven Gesamteindruck schadete dies aber nicht im Geringsten.

nächste Vorstellungen: 30.1., 2., 5., 8., 15. und 19.2., 19.30 Uhr, Hamburgische Staatsoper