Arbeit lohnt nicht

Sozialbehörde setzt HAB-Modell „Tariflohn statt Sozialhilfe“ ein Ende  ■ Von Sandra Wilsdorf

Die Logik des nicht mehr ganz neuen Senats: Um die Anreize zu erhöhen, sich einen Job auf dem Ersten Arbeitsmarkt zu suchen, werden die Stellen auf dem zweiten Arbeitsmarkt so schlecht bezahlt, dass ein Beschäftigter mit täglichem Dienst bei der Hamburger Arbeit (HAB) nicht mehr verdient als er sonst Sozialhilfe bekommen würde. Wo da der Anreiz bleibt? Es gibt keinen. Stattdessen übt Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) Druck auf die SozialhilfeempfängerInnen aus: Wer keinen verbilligten HAB-Job annimmt, dem kann die Sozialhilfe gekürzt werden.

In einem Brief an die HAB weist die Behörde für Soziales und Familie den Geschäftsführer an, „die arbeits- und tarifrechtlichen Voraussetzungen dafür herbeizuführen, dass die Vergütungen bei künftigen Arbeitsverhältnissen von Sozialhilfeempfängern am Niveau der ABM-Entlohnung orientiert wird.“ Denn fünf Millionen Euro soll der städtische Beschäftigungsträger in diesem Jahr sparen. Weil er das nicht am Stammpersonal, der Verwaltung und den Anleitern kürzen wird, heißt die Konsequenz aus der Vorgabe: Kündigung des HAB-eigenen Tarifvertrages. Das wäre das Ende des 1983 von der Hamburger Bürgerschaft beschlossenen Programms „Tariflohn statt Sozialhilfe“.

Neben der HAB sind auch noch 240 Stellen bei freien Trägern von der Neuregelung betroffen. Auch sie arbeiten mit dem Modell für Menschen, die mindestens vier Jahre arbeitslos sind, älter als 45, ohne Schul-Abschluss, mit schlechten Deutschkenntnissen, alleinerziehend, verschuldet, vorbestraft oder vieles davon. Menschen, die aus der Sozialhilfe herausgelöst werden und durch den befristeten Job Chancen auf dem Ersten Arbeitsmarkt gewinnen.

Ihnen hilft der Tarifvertrag. Denn „Tarif“ klingt mehr nach Arbeit als Sozialhilfe. Dazu gibt es ein Job-Ticket, auf dem die Beschäftigten an Wochenenden die ganze Familie in U- und S-Bahn mitnehmen können. Vor allem aber bringt er den meisten mehr Geld, als sie vorher durch Sozialhilfe hatten. Im Schnitt verdienen sie zwischen 992 und 1500 Euro und liegen damit rund 20 Prozent unter den branchenüblichen Löhnen. Im Einzelfall aber gibt es bei der HAB auch schon mal mehr als auf dem Ersten Arbeitsmarkt, weshalb das Modell auch Kritiker hat: Wo soll da die Motivation für den Ersten Arbeitsmarkt herkommen, fragen sich Kritiker.

Nun lautet die Frage anders: Warum sollte jemand überhaupt arbeiten, wenn er nicht mehr als den Sozialhilfesatz verdient? Denn wer bisher nach dem HAB-Tarif 1257 Euro brutto verdiente, erhält künftig nur noch den Mindestsatz nach dem Job-Aqtiv–Gesetz von 960 Euro plus einer noch nicht definitiv entschiedenen Zulage von maximal zehn Prozent. Einem verheirateten Vater von zwei Kindern stehen aber für die gesamte Familie rund 1700 Euro Sozialhilfe zu. Auf diesen Betrag also müsste die Stadt das Gehalt des arbeitenden Familienvaters mit ergänzender Sozialhilfe aufstocken.

„Der Senat nutzt das Job-Aqtiv-Gesetz zum Tarifdumping bei der HAB und unterläuft damit unseren Spezialvertrag“, kritisiert ver.di-Chef Wolfgang Rose. Dabei haben die Gewerkschafter ausgerechnet, dass sich das Modell „Tariflohn statt Sozialhilfe“ für die Stadt sogar rechnet: Zunächst zahlt die Stadt mehr. Aber nach etwa vier Jahren hat sie die Mehrkosten wieder he-rausgeholt. Denn entweder verdient der ehemalige HAB-Beschäftigte sein eigenes Geld, oder er ist wieder arbeitslos und erhält dann Arbeitslosengeld – was das Arbeitsamt zahlt. Das neue System aber wird den Sozialhilfetopf der Stadt erheblich belasten. Aber: Vier Jahre dauert eine Legislaturperiode. Die jetzige Regierung müsste mehr Geld ausgeben, profitieren würden die Nachfolger.