Von Meppen nach Mali

Hans-Dieter Schmidt war schon Trainer in Meppen, Magdeburg und in Ägypten. Seit zwei Jahren sucht er als Scout neue Spieler für den Hamburger SV – unter anderem beim Afrika-Cup in Mali

aus Bamako HAKEEM JIMO

Dieser Mann gehört zu der netteren Sorte in seiner Branche. Irgendwie scheint er auch an die Menschen zu denken, mit denen er handelt, während die Kollegen oft nur lebende Geldscheine auf dem Platz herumlaufen sehen. Viele lebende Geldscheine, denn in diesem Job geht es um Millionensummen, aber Hans-Dieter Schmidt ist dennoch bescheiden geblieben. „Ob man Geld hat, hängt nicht davon ab, wie viel man verdient, sondern wie man lebt“, sagt er etwa, und das ist nur ein Satz aus dem reichhaltigen Repertoire der kleinen Lebenshilfen, die er so liebt.

Schmidt hat schon viele Fußballer gesehen, die diese Worte nicht verstanden haben. Nicht selten, sagt der 54-Jährige, würden aus ihnen später traurige Schicksale – und nur die Spielervermittler und -berater, unter denen es viele dubiose Gestalten gibt, wie Schmidt zugibt, verdienen und profitieren dann, eben weil sie die Spieler nur als lebende Geldscheine ansehen.

Die jungen Fußballer, die Hans-Dieter Schmidt sich aussucht und um die er sich kümmert, sind danach für gewöhnlich keine armen Schlucker mehr, schließlich werden heutzutage schon in der Regionalliga Gehälter von über 10.000 Euro bezahlt – im Monat. Auf der anderen Seite fahndet Schmidt nicht nach unbezahlbaren Stars, sondern nach jungen Fußballern, die zwar schon gestandene Spieler sind, für den großen Fußball, den in den europäischen Profiligen also, aber erst noch entdeckt werden müssen. Deshalb ist er auch nach Mali gekommen, um beim Afrika-Cup nach neuen Talenten Ausschau zu halten und sie möglichst nach Europa zu holen.

Der gebürtige Hannoveraner lebt in Meppen, und dort hat er auch mal den heimischen SV als Trainer betreut – nachdem er seine unkündbare Beamtenstelle in Hannover gekündigt hatte. Dazu muss man wissen, dass Fußball immer mehr war als ein Hobby für Hans-Dieter Schmidt, jedenfalls erzählt er das so: dass er zum Beispiel während seiner Bundeswehrzeit freiwillig die ungeliebten Nachtwachen übernommen habe, um tagsüber Fußball spielen zu können. Für die Bundesliga hat es dennoch nicht gereicht, aber immerhin verfügt Schmidt über die Trainerlizenz – und war schon Coach in Ägypten und beim FC Magdeburg, oder auch Manager bei Hannover 96. Über den Trainerjob kam der 54-Jährige ja überhaupt erst zu seinem jetzigen Beruf als Talentsichter.

70 bis 80 Fußballer, ein Gutteil davon aus Afrika, hat er bisher entdeckt und vermittelt. Um stets am Puls der Zeit zu sein, ist Schmidt nahezu das ganze Jahr unterwegs – seit fast zwei Jahren für den Hamburger SV. Der afrikanische Spielermarkt und somit der Afrika-Cup, sagt Schmidt, sei für ihn und seine Kollegen Pflichtübung. Und wenn man sich auf der Tribüne im Stadion von Bamako umsieht, sieht man das bestätigt: Der Scout von Manchester United ist ebenso da wie Späher von französischen und italienischen Clubs, es herrscht da harte Konkurrenz. Vor allem schnell müsse man sein, sagt Schmidt, gerade die Italiener kauften alles weg.

„Grün: links 13, rechts 5. Weiß: 8 neben Okocha.“ Schmidt geht die Reihen der gerade spielenden Teams durch wie ein Zahnarzt löchrige Gebisse. Gastgeber Mali spielt in Grün und ist der Oberkiefer, Nigeria spielt in Weiß; die Vorrunde haben beide Teams überstanden. In Schmidts Händen ruht ein Schreibblock, auf dem die Konturen eines Fußballfeldes aufgezeichnet sind, aber viel vermerkt steht dort noch nicht. Der Mann aus Meppen gehört nicht zu den Vielschreibern; „Wer viel schreibt, sieht nichts vom Spiel“, sagt er, deshalb praktiziere er eine andere Methode: „Ich schaue mir das Spiel an, lasse mich darauf ein und lasse es auf mich wirken.“ Dabei hilft dem 54-Jährigen, dass er über ein fotografisches Gedächtnis verfügt, wie er sagt: Jeden Spieler, den er irgendwann irgendwo einmal gesehen habe, könne er später wieder vor seinem geistigen Auge abrufen. Das sei sein Kapital, weil ihm so kein Spielervermittler einen unbrauchbaren Spieler andrehen könne. „Und mehr, als Fehlinvestitionen in unbrauchbare Spieler zu verhindern, kann ein Verein gar nicht sparen“, sagt Schmidt.