Referendum im Ölparadies

In Kongo-Brazzaville, einem der korruptesten Länder der Welt, läutet Präsident Denis Sassou-Nguesso Reformen ein, die ihn als Demokraten erscheinen lassen sollen

BERLIN taz ■ Oberflächlich sind es politische Reformen wie aus dem Bilderbuch. Per Referendum hat die Bevölkerung des Landes Kongo-Brazzaville eine neue Verfassung bestätigt, auf deren Grundlage ab März Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen stattfinden. Nun wird Kongo-Brazzaville, offiziell Republik Kongo, nach Jahren des Krieges eine ganz normale Demokratie, findet Innenminister General Oba: „Eine neue Erfahrung für unser Land, das wahrhaft demokratisch und wohlhabend sein soll“, sah er gekommen, als er in der vergangenen Woche die offiziellen Ergebnisse des Referendums vom 20. Januar präsentierte.

Demnach haben 77,98 Prozent der 1.633.518 Millionen Wahlberechtigten an der Volksabstimmung teilgenommen und zu 84,26 Prozent für die neue Verfassung gestimmt. Oppositionelle behaupten jedoch, die Wahlbeteiligung sei viel niedriger gewesen. In Oppositionshochburgen, wo Truppen aus Angola zur Unterstützung der Regierung stehen, sei die Stimmabgabe gar nicht möglich gewesen. Mancherorts hätten Soldaten einfach die „Nein“-Stimmzettel beschlagnahmt, sodass man nur mit Ja stimmen konnte.

Kongo-Brazzaville ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Es hat die höchste Urbanisierungsrate Afrikas – zwei Drittel der 2,85 Millionen Einwohner, die sich auf 342.000 Quadratkilometern verlieren, leben in der Hauptstadt Brazzaville oder der Hafenstadt Pointe-Noire. So ist die Armut enorm, obwohl es viel fruchtbares Land gibt. Die Wirtschaft wird vom Erdöl bestimmt – Kongo-Brazzaville ist Schwarzafrikas drittgrößter Ölproduzent hinter Nigeria und Angola.

Laut IWF ist kaum irgendwo auf der Welt die Vorherrschaft der Ölkonzerne so absolut. Diese, allen voran die französische Elf-Congo, behalten 80 Prozent der Förderung von 271.000 Barrel pro Tag (13 Millionen Tonnen im Jahr) für sich; den Rest kriegt die staatliche Ölgesellschaft SNPC (Nationale Ölgesellschaft des Kongo). Wo die Einnahmen aus ihren Verkäufen bleiben, ist für IWF und Opposition ein Rätsel.

Nur dass Misswirtschaft herrscht, wissen alle. Kongo-Brazzaville hat 71.000 Staatsbedienstete, deren Verwandte insgesamt an die 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen dürften. Die Regierung ist hoch verschuldet, baut aber gerade für umgerechnet 50 Millionen Euro einen internationalen Flughafen in ein Urwalddorf, weil da der Präsident geboren wurde. Sie unternimmt zugleich nichts dagegen, dass 75 Prozent der Zolleinnahmen im Ölhafen Pointe-Noire in private Taschen fließen. Die Geschäftswelt von Pointe-Noire und Brazzaville verdient ihr Geld neben Öl auch mit dem Schmuggel von Diamanten und Zement aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo.

Früher war Sassou-Nguesso Marxist und regierte als solcher von 1979 bis 1992. Dann musste er die Macht an eine Mehrparteiendemokratie abgeben. 1997 kämpfte er sich mit Militärhilfe aus Angola und diskreter Unterstützung des französischen Ölkonzerns Elf zurück an die Macht. Als seine Gegner, darunter der gestürzte Präsident Pascal Lissouba, Ende 1998 einen bewaffneten Aufstand begannen, kämpfte er sie mit Hilfe derselben Freunde brutal nieder. Ein Drittel der Bevölkerung verlor zeitweise die Heimat, Zehntausende wurden getötet. Nach seinem Sieg saß Sassou-Nguesso so unangefochten im Präsidentensessel seines verwüsteten Landes, dass er es sich leisten konnte, die jetzt begonnene „Demokratisierung“ einzuläuten.

Die neue Verfassung installiert ein Mehrparteiensystem mit allen formalen demokratischen Strukturen, räumt allerdings die gesamte exekutive Macht dem Präsidenten ein. Der kann sich zweimal für jeweils sieben Jahre wählen lassen. Seine bisherige Herrschaft mitgezählt, wird Denis Sassou-Nguesso also am Ende der Geschichte 37 Jahre lang regiert haben. Die meisten seiner Gegner hat er ins Exil getrieben, eine ernst zu nehmende Opposition im Land gibt es nicht mehr. Die ausländischen Investoren, vor allem aus Frankreich und China, stehen schon Schlange, um davon zu profitieren. DOMINIC JOHNSON