Mehr Militär für Afghanistan

UNO wünscht Verstärkung der Schutztruppe auf 30.000 Mann. Afghanische Politiker begrüßen das. USA: O. k., aber ohne uns

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Der afghanische Premierminister Hamid Karsai hat bei seinem Besuch in Washington die Bereitschaft seiner Regierung für eine Ausweitung der Internationalen Schutztruppe (Isaf) bestätigt. Bis die nationale Armee einsatzbereit sei, brauche das Volk eine Sicherheit dafür, dass das Land nicht ins Chaos zurückfalle. Auch die USA seien „herzlich willkommen“, sich der multinationalen Truppe anzuschließen – eine Einladung, welche das Weiße Haus relativ brüsk zurückwies. Die Aufgabe der US-Soldaten in Afghanistan sei es, „zu kämpfen und Kriege zu gewinnen“, sagte Bushs Sprecher.

Dagegen beginnt sich die UNO ernsthaft mit der Frage einer Verstärkung der Schutztruppe zu beschäftigen. Eine Erhöhung auf 30.000 Mann wird für wünschenswert gehalten (siehe Interview). Die Isaf käme dann auch außerhalb Kabuls zum Einsatz, ein Plan, den Karsai inzwischen ebenfalls unterstützt.

Francisc Vendrell, Stellvertreter des UN-Beauftragten für Afghanistan Lakhdar Brahimi, kam von einer Reise in die Provinzen mit der Nachricht zurück, alle wichtigen Regionalfürsten befürworteten eine Isaf-Stationierung in ihren Gebieten. Diese Bereitschaftserklärung stößt in Kabul allerdings auf Skepsis.

Der Grund dafür ist leicht einsehbar. Die bewaffneten Scharmützel in verschiedenen Regionen haben in den letzten Wochen rasch zugenommen. Im Südwesten gibt es Rivalitäten zwischen Kandahar und Herat. Die sunnitischen Paschtunen aus Kandahar werfen Warlord Ismael Khan aus Herat vor, dieser versuche mit Irans Hilfe Stammesführer in der Provinz Helmand auf seine Seite zu ziehen. Kandahars Gouverneur Gul Agha hat gedroht, seine Soldaten auf Herat losmarschieren zu lassen. Von dort berichten Journalisten, Ismael Khan – der formell noch nicht als Gouverneur eingesetzt ist – bewaffne in aller Offenheit seine Milizen mit iranischen Waffen.

In der ostafghanischen Provinz Khost liegen sich zwei Milizenführer in den Haaren, und aus dem Norden berichtete die pakistanische Agentur AIP von bewaffneten Auseinandersetzungen um die Kontrolle von Städten, zwischen Anhängern von Raschid Dostam und solchen der Jamaat-Islami-Gruppierung. Auch die Kriminalität hat merklich zugenommen, sowohl in Kabul wie in anderen Gegenden, wo die internationalen Hilfsorganisationen immer wieder von entwendeten Hilfsgüterlieferungen betroffen sind.

Karsai ist bemüht, diese Schwierigkeiten bei seinen Treffen mit ausländischen Politikern herunterzuspielen. Doch auch er gibt zu, dass die Sicherheit das Problem ist, das am dringendsten einer Lösung harrt. Die Tatsache, dass es bis heute keinen Versuch gegeben hat, die Truppen der Warlords zumindest nominell dem Verteidigungsministerium in Kabul zu unterstellen, zeigt, dass diese der Autorität der Interimsregierung nicht viel Gewicht beimessen. Es wird sich zeigen, ob die in Tokio versprochenen Hilfsgelder, deren Auslösung von einer kontrollierten Sicherheitslage abhängt, die Kriegsfürsten zähmen werden.